Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
Vom Netzwerk:
antwortete ich. »Aber wenn es schiefgeht, dann…«
    »Was?« fragte Poole. »Dann bin ich meine Sozialleistungen los? Ich gehe bald in Rente, Mr. Kenzie. Schon mal gesehen, was die Gewerkschaft der Polizei mit Leuten macht, die versuchen, einem hochdekorierten Beamten mit dreißig Dienst Jahren die Pension zu streichen?« Poole drohte uns mit dem Finger. »Da kann man genausogut halbverhungerten Hunden zusehen, die sich auf Fleisch stürzen, das einem Mann an die Klöten gehängt wurde. Nicht gerade hübsch.«
    Angie schmunzelte. »Sie sind schon eine Nummer, Poole.«
    Er legte ihr die Hand auf die Schulter. »Miss Gennaro, ich bin ein kaputter alter Mann mit drei Exfrauen. Ich bin ein Nichts. Aber meinen letzten Fall würde ich gerne als Sieger abschließen. Mit etwas Glück bringe ich Chris Mullen zur Strecke und versenke gleichzeitig Cheese Olamon für den Rest seines Lebens im Knast.«
    Angie sah auf seine Hand, dann in sein Gesicht. »Und wenn Sie es vermasseln?«
    »Dann trinke ich mich zu Tode.« Poole zog die Hand fort und rieb sich die kurzen Stoppeln auf dem Kopf. »Mit billigem Wodka. Was Besseres kann man sich bei meiner Bullenrente nicht leisten. Wie hört sich das an?«
    Angie grinste. »Hört sich gut an, Poole, wirklich gut.«
    Poole warf einen Blick über die Schulter auf den Mann, der seinen Läufer klopfte. Dann wandte er sich wieder uns zu. »Mr. Kenzie, haben Sie den Spaten im Windfang gesehen?«
    Ich nickte.
    Poole lächelte.
    »Oh«, sagte ich. »Verstehe.«
    Ich ging ins Haus, um den Spaten zu holen. Als ich auf dem Rückweg am Wohnzimmer vorbeikam, fragte Helene: »Bleiben wir noch lange hier?« »Nicht mehr lange.«
    Sie sah den Spaten und die Plastikhandschuhe. »Habt ihr das Geld gefunden?« Ich zuckte mit den Achseln. »Vielleicht.« Sie nickte und sah wieder zum Fernseher. Ich wollte gerade weitergehen, doch hielt mich ihre Stimme in der Tür zur Küche fest. »Patrick?« »Ja?«
    Durch das Licht vom Bildschirm blitzten ihre Augen wie die der Katzen. »Sie tun ihr doch nicht weh, oder?«
    »Meinst du Chris Mullen und den Rest von Cheese Olamons Mannschaft?« Sie nickte.
    Im Fernsehen sagte eine Frau zu einer anderen, sie solle ihre Tochter in Ruhe lassen und schimpfte sie ein Lesbenschwein. Das Publikum johlte.
    »Tun sie doch nicht, oder?« Helenes Augen waren noch immer auf den Bildschirm gerichtet. »Doch«, antwortete ich.
    Sie sah sich plötzlich zu mir um. »Nein.« Sie schüttelte den Kopf, als könne sie es dadurch verhindern.
    Ich hätte ihr sagen sollen, daß ich nur Spaß machte. Daß alles gut werde mit Amanda. Daß sie zurück nach Hause käme und alles wieder normal würde, so daß sie sich mit Fernsehen, Alkohol oder Drogen betäuben könne oder was sie sonst nahm, um sich vor der häßlichen Welt da draußen zu schützen.
    Aber ihre Tochter war da draußen in dieser häßlichen Welt, war allein und voller Angst an eine Heizung oder einen Bettpfosten gefesselt, die untere Gesichtshälfte mit Isolierband verklebt, damit sie keinen Laut von sich geben konnte. Oder sie war bereits tot. Und der Grund dafür lag auch in Helenes Zügellosigkeit, in ihrer Überzeugung, sie könne tun, was sie wolle, ohne daß sie die Konsequenzen oder eine entsprechende Reaktion zu verantworten hätte.
    »Helene«, sagte ich.
    Sie zündete sich eine Zigarette an. Der Kopf des Streichholzes verfehlte einige Male das Ziel, bevor der Tabak Feuer fing. »Ja?«
    »Bekommst du das hier eigentlich mit?«
    Sie sah zum Fernseher, dann wieder zu mir. Ihre Augen waren feucht und blutunterlaufen. »Was?«
    »Deine Tochter wurde entführt. Weil du etwas gestohlen hast. Den Männern, die sie in ihrer Gewalt haben, ist sie scheißegal. Vielleicht geben sie sie nicht wieder her.«
    Zwei Tränen rollten Helenes Wangen hinunter, und sie wischte sie mit dem Handrücken ab.
    »Ich weiß«, antwortete sie mit Blick auf den Fernseher. »Ich bin ja nicht blöd.«
    »Doch, bist du wohl«, gab ich zurück und ging wieder in den Hinterhof.
    Wir bildeten einen Kreis um den Erdhügel, um ihn von den Blicken der Nachbarn abzuschirmen. Broussard stieß den Spaten in den Boden und hob mehrmals Erde ab, bis wir die zerknüllte Spitze einer grünen Plastiktüte erblickten.
    Er grub noch ein bißchen weiter, dann sah sich Poole um und beugte sich vor, zog an der Tüte und entwand sie dem Erdloch.
    In der Eile war die Tüte nicht einmal verschlossen, sondern nur mehrmals zugedreht worden. Poole ließ sie in der Hand baumeln, so

Weitere Kostenlose Bücher