Kein Kinderspiel
daß sie sich aufdrehte. Das grüne Plastik knisterte, während sich die Falten am Griff lösten und die Tüte immer größer wurde. Poole ließ sie zu Boden fallen. Die Öffnung gähnte uns entgegen.
Darin lag eine Unmenge loser Geldscheine, größtenteils Hunderter und Fünfziger, alt und weich.
»Das ist ‘ne Menge Geld!« staunte Angie.
Poole schüttelte den Kopf. »Das, Miss Gennaro, ist Amanda McCready.«
Bevor Poole und Broussard die Forensiker und Gerichtsmediziner riefen, schalteten wir den Fernseher im Wohnzimmer ab und erzählten Helene, was wir vorhatten.
»Ihr wollt das Geld gegen Amanda tauschen«, sagte sie.
Poole nickte.
»Dann überlebt sie.«
»Das hoffen wir.«
»Und was muß ich noch mal machen?«
Broussard hockte sich vor sie. »Sie müssen gar nichts tun, Miss McCready. Sie müssen sich jetzt nur entscheiden. Wir vier hier sind der Meinung«, er machte eine ausladende Handbewegung, »daß das die richtige Entscheidung sein könnte. Aber wenn meine Chefs rauskriegen, was ich hier vorhabe, werde ich vom Dienst suspendiert oder gefeuert. Verstehen Sie das?«
Sie nickte vorsichtig. »Wenn Sie es weitersagen, wandert Chris Mullen in den Knast.«
Broussard nickte. »Wahrscheinlich. Oder dem FBI könnte das Ergreifen des Entführers wichtiger sein als die Sicherheit Ihrer Tochter.«
Noch ein halbherziges Nicken, als stieße ihr Kinn auf dem Weg nach unten auf ein unsichtbares Hindernis.
Poole sagte: »Miss McCready, wir wollen damit sagen, es ist Ihre Entscheidung. Wenn Sie es wollen, machen wir hier auf der Stelle Schluß, übergeben das Geld und überlassen es den Profis.«
»Anderen Leuten?« Sie sah Broussard an.
Er griff nach ihrer Hand. »Ja.«
»Ich will keine anderen Leute. Ich will…« Sie schwankte ein wenig. »Was muß ich tun, wenn wir es so machen, wie Sie sagen?«
»Den Mund halten.« Broussard erhob sich. »Sie dürfen nicht mit der Presse oder mit der Polizei sprechen. Sie dürfen nicht einmal mit Lionel und Beatrice darüber reden.«
»Und ihr wollt dann mit Cheese reden?«
»Das wird dann wohl die nächste Maßnahme sein«, antwortete ich.
»Im Moment scheint Mr. Olamon die Zügel in der Hand zu haben«, sagte Broussard.
»Was ist denn, wenn ihr einfach nur Chris Mullen verfolgt? Vielleicht bringt er euch zu Amanda, ohne es zu wissen!«
»Das werden wir ebenfalls tun«, stimmte Poole zu. »Aber ich habe das Gefühl, daß sie das eh erwarten. Ich bin mir sicher, daß sie Amanda sehr gut versteckt haben.«
»Sagen Sie ihm, daß es mir leid tut.«
»Wem?«
»Cheese. Sagen Sie ihm, ich hab’s nicht böse gemeint. Ich will nur mein Kind zurückhaben. Sagen Sie ihm, er soll ihr nichts tun. Können Sie das machen?« Sie blickte zu Broussard auf.
»Ja, klar.«
»Ich hab Hunger«, sagte Helene.
»Wir können Ihnen…«
Sie schüttelte den Kopf. »Nicht ich. Ich nicht. Das hat Amanda gesagt.«
»Was? Wann?«
»Als ich sie in der Nacht ins Bett gebracht habe. Das war das letzte, was sie zu mir gesagt hat: >Mami, ich hab’ Hunger.<« Helene lächelte, doch ihre Augen füllten sich mit Tränen. »>Ist schon gut, mein Schatz«, hab’ ich zu ihr gesagt. >Morgen früh gibt’s was zu essen.««
Niemand sagte etwas. Wir warteten ab, ob sie zusammenbrechen würde.
»Ich meine, die geben ihr doch was zu essen, oder?« Sie lächelte noch immer, obwohl ihr die Tränen die Wangen herunterliefen. »Sie hat doch nicht immer noch Hunger, oder?« Sie sah mich an. »Oder?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte ich.
12
Cheese Olamon war ein 1,85 Meter großer, 215 Kilo schwerer Skandinavier mit gelbblondem Haar, der irgendwann der Einbildung erlegen war, er sei so schwarz wie Richard Roundtree in Shaft.
Obwohl sein Fleisch beim Gehen schwabbelte und sich sein Modebewußtsein auf Fleeceshirts oder dicke Baumwoll—Sweatshirts beschränkte, wie sie gerne von Übergewichtigen getragen werden, wäre es ein Riesenfehler gewesen, Cheese für einen lustigen Dicken zu halten oder von seiner Körpermasse auf fehlende Schnelligkeit zu schließen.
Cheese lächelte viel, und in der Gegenwart mancher Menschen schien er von aufrichtiger Freude überwältigt zu werden. Und obwohl seine veraltete Pseudo-Shaft-Sprache schon viele Leute hatte zusammenzucken lassen, hatte sie etwas seltsam Liebenswertes und Ansteckendes an sich. Man hörte ihm zu und fragte sich irgendwann, was er mit seinem Slang, den nur sehr wenige Menschen außerhalb eines Films von Fred Williamson und Antonio Fargas,
Weitere Kostenlose Bücher