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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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paßte.
    Das ist nicht der Tod, dachte ich. Der Tod ist direkt hinter uns, in der schmierigen Küche von Mini-David und Kimmie. Der Tod ist das schwarze Blut und die treulosen Katzen, die einfach alles fressen.
    »Helene«, sagte ich.
    »Ja?«
    »Als du mit Kimmie in dem Zimmer warst und die Fotos von Disney World angesehen hast, wo waren David und Ray in der Zeit?«
    Sie öffnete leicht den Mund.
    »Schnell!« drängte ich sie. »Antworte, ohne darüber nachzudenken!«
    »Im Hinterhof«, antwortete sie.
    »Im Hof.« Angie zeigte auf den Boden. »Hier also.«
    Helene nickte.
    »Konntest du von Kimmies Zimmer aus in den Hof sehen?« fragte ich.
    »Nein. Die Rollos waren heruntergezogen.«
    »Woher weißt du dann, daß die beiden draußen waren?« hakte ich nach.
    » Rays Schuhe waren total schmutzig, als wir gingen «, sagte sie langsam. »Ray achtet ja echt nicht auf seine Sachen.« Sie berührte mich am Arm, als wolle sie ein sehr intimes Geheimnis mit mir teilen. »Aber auf seine Schuhe paßt er auf!«

11
    Zweihundert R + cool bleiben = Kind
    »Zweihundert R?« fragte Angie.
    »Zweihundert Riesen«, erklärte Broussard ruhig.
    »Wo habt ihr den Zettel gefunden?« fragte ich.
    Er zeigte über die Schulter zum Haus. »Fest zusammengerollt hinter dem Bund von Kimmies Spitzenunterwäsche. War wohl als Überraschung gedacht.«
    Wir standen zusammen im Garten.
    »Das Geld ist hier«, sagte Angie und zeigte auf einen kleinen Erdhügel neben einer morschen Ulme. Der Boden dort war frisch umgegraben und die einzige Stelle im ganzen Hinterhof, die nicht ganz glatt war.
    »Ich glaube Ihnen, Miss Gennaro«, sagte Broussard. »Was machen wir jetzt?«
    »Wir graben das Geld aus«, entgegnete ich.
    »Und beschlagnahmen es und geben die Angelegenheit weiter«, ergänzte Poole. »Und teilen der Presse mit, daß das Geld mit Amanda McCreadys Verschwinden zu tun hat.«
    Ich sah mich um, das vertrocknete Gras, die bordeauxroten Blätter, die gerollt auf dem Rasen lagen. »Da ist seit längerer Zeit keiner mehr dran gewesen.«
    Poole nickte. »Was schließen Sie daraus?«
    »Wenn es da liegt«, ich wies auf die Erhebung, »dann hat Mini-David nichts verraten, obwohl Kimmie vor seinen Augen zu Tode gefoltert wurde.«
    »Wir haben ja nie behauptet, daß Mini-David ein Kandidat für das Friedenskorps war«, gab Broussard zurück.
    Poole ging zum Baum hinüber, stellte sich breitbeinig über die Erhebung und blickte zu Boden.
    Drinnen saß Helene im Wohnzimmer, fünf Meter von zwei aufgeblähten Leichen entfernt, und sah fern. Auf Jerry Springer folgte eine andere Talkshow, in der zur nächsten Runde geläutet wurde: auf zur öffentlichen Bekenntnistherapie, zur endlosen Verwässerung des Begriffs »Trauma«, auf zur nächsten Riege von Dummköpfen, die von einem Podium ins Leere schreien. Helene schien das egal zu sein. Sie beschwerte sich lediglich über den Geruch und bat uns, das Fenster zu öffnen. Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden, und so ließen wir sie dort bei geöffnetem Fenster sitzen, das Gesicht vom silbernen Flimmern erleuchtet.
    »Dann sind wir also draußen«, bemerkte Angie leise. Sie klang traurig und verwundert zugleich. Plötzlich mußte sie sich damit abfinden, daß der Fall so abrupt zu Ende war.
    Ich dachte nach. Jetzt handelte es sich um einen Entführungsfall, den das FBI übernehmen mußte. Alles war da: Erpresserbrief und Verdächtige mit einem Motiv. Wie jeder andere Sesselfurzer in diesem Bundesstaat würden wir den Fall in den Nachrichten verfolgen können. Wir konnten drauf warten, daß Helene zusammen mit anderen Eltern, die ihre Kinder verlegt hatten, bei Springer auftrat.
    Ich streckte Broussard die Hand hin. »Angie hat recht. War nett, mit Ihnen zu arbeiten.«
    Broussard schüttelte mir die Hand und nickte, sagte jedoch nichts. Er sah zu Poole hinüber.
    Poole fuhr mit dem Schuh über den kleinen Erdhügel und wandte den Blick nicht von Angie ab.
    »Wir sind doch draußen, oder?« fragte Angie ihn.
    Poole hielt ihrem Blick kurz stand, dann schaute er wieder zu Boden.
    Ein paar Minuten lang sagte niemand etwas. Ich wußte, daß wir jetzt gehen sollten. Angie wußte es auch. Und dennoch blieben wir stehen, als seien wir dort in dem kleinen Hof mit der toten Ulme festgewachsen.
    Ich drehte mich um und betrachtete das häßliche Haus hinter uns. Ich konnte den Kopf von David und den oberen Teil des Stuhls erkennen, an den er gefesselt war. Hatte er gespürt, daß seine nackten Schulterblätter gegen

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