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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Mützenschirm, der auf der Stirn ruhte und die Augen verdeckte.
    Beamte von der Stadtpolizei erinnern mich immer an die Infanteristen in alten Kriegsfilmen. Egal, wie nett sie angezogen sind, scheinen sie doch nur einen Schritt davon entfernt zu sein, auf dem Bauch die Strände der Normandie hochzurobben, eine nasse Zigarre zwischen die Zähne geklemmt, in Schmutz und Regen gebadet. Aber wenn ich mir den durchschnittlichen Statie ansehe - der entschlossene Kiefer, die arrogante Haltung des Kinns, die Uniformabzeichen, deren einziger Zweck es ist, die Sonne zu spiegeln, konnte ich mir ohne weiteres vorstellen, wie sie im Herbst 1939 im Stechschritt durch die Straßen von Polen marschierten.
    Major Dempsey hatte, kurz nachdem wir uns alle versammelt hatten, seine große Mütze abgenommen und den Blick auf sein feuerrotes Haar darunter freigegeben. Es war so kurz geschoren, daß die hellen Stoppeln wie Kunstrasen vom Schädel abstanden, doch diese beunruhigende Assoziation anderer Menschen schien ihm bekannt zu sein. Er glättete die Seiten mit den Händen, nahm den Zeigestock vom Tisch und pochte damit auf seine Handfläche, während seine Eulenaugen den Raum leicht verächtlich überblickten. Links von ihm saßen auf einer kleinen Stuhlreihe an der Wand Lieutenant Doyle und der Polizeichef von Quincy unter dem Wappen des Staates Massachusetts. Beide trugen ihren besten Beerdigungsanzug. Alle drei beobachteten den Raum mit einem eindrucksvoll starren Blick.
    Wir hatten uns im Mannschaftsraum der State Police in der Kaserne von Milton versammelt. Die gesamte linke Seite wurde von den Staties oder Troopers, wie wir sie auch nannten, eingenommen: Adleraugen, glatte Haut, die Mützen forsch unter den Arm geschoben, nicht die kleinste Falte in den Hosen und Hemden.
    Auf der anderen Seite saßen die Beamten von Quincy in den vorderen Reihen und die von Boston im hinteren Teil. Die Bullen aus Quincy schienen den Staties Konkurrenz machen zu wollen, obwohl ich ein paar Falten und einige Mützen entdecken konnte, die neben den Füßen auf dem Boden lagen. Es waren fast ausschließlich junge Männer und Frauen, die Wangen so glatt und glänzend wie Messing. Ich hätte eine Menge Geld darauf gewettet, daß noch keiner von ihnen in Ausübung seiner Pflicht von der Schußwaffe Gebrauch gemacht hatte.
    Im Vergleich dazu sah der hintere Teil des Raumes wie die Warteecke einer Armenküche aus. Die uniformierten Beamten gingen gerade noch, aber die Frauen und Männer von der EGK und all die anderen Beamten, die vorübergehend von ihren Einheiten zur EGK abgeordnet worden waren, bildeten eine buntgescheckte Menge: Kaffeeflecken, Drei-Tage-Bärte, Mundgeruch, zerzaustes Haar und zerknitterte Kleidung. Die meisten Detectives hatten von Anfang an am Fall Amanda McCready gearbeitet und die »Leck-mich-am-Arsch«-Miene aller Cops angenommen, die zu viele Überstunden gemacht und an zu vielen Türen geklopft hatten. Anders als die Staties und die Bullen von Quincy lümmelten sich die Angehörigen der Bostoner Einheit auf ihren Sitzen, traten sich gegenseitig und husteten ständig.
    Angie und ich waren erst kurz vor Beginn der Besprechung eingetroffen und hatten hinten Platz genommen. In ihrer frischgewaschenen schwarzen Jeans, dem losen schwarzen Baumwollshirt und der braunen Lederjacke sah Angie gepflegt genug aus, um sich zu den Leuten aus Quincy zu gesellen, doch ich trug konsequent Schlabberlook: ein weißes T-Shirt mit Ren & Stimpy drauf, ein zerrissenes Flanellhemd und Jeans mit weißen Farbflecken. Nur meine Basketballschuhe waren niegelnagelneu.
    »Sind das die, die man aufpumpen kann?« fragte Broussard, als wir uns neben ihn und Poole auf die Stühle gleiten ließen.
    Ich fegte einen Fussel von meinen neuen Tretern. »Nein.« »Schade. Die find’ ich nämlich gut.« »Wenn man der Werbung glaubt«, erklärte ich, »helfen sie mir, so hoch wie Michael Jordan zu springen und gleich zwei Mädels auf einmal abzuschleppen.« »Na, dann sind sie ihr Geld wohl wert.« Hinter Major Dempsey hingen zwei Staties eine riesige topographische Karte der Steinbrüche von Quincy und des Naturschutzgebietes Blue Hills auf. Sobald sie befestigt war, hob Dempsey den Zeigestock und klopfte auf einen Punkt in der Mitte der Karte.
    »Der Steinbruch von Granite Rail«, sagte er knapp. »Jüngste Entwicklungen im Fall Amanda McCready führen uns zu der Annahme, daß dort heute abend um zwanzig Uhr ein Austausch stattfinden wird. Die Entführer wollen das

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