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Kein Kinderspiel

Kein Kinderspiel

Titel: Kein Kinderspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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meinen Sie das?«
    »Die haben diesen Ort vorgeschlagen. Denen wird doch klar sein, daß die Polizei vor Ort sein wird, oder?«
    Dempsey zuckte mit den Achseln. »Verbrechen macht blöd.«
    Erneutes höfliches Gelächter von den Männern in Blau.
    Ich wartete, bis es sich gelegt hatte. »Major, wenn sie sich aber auf so ein Kontingent eingestellt haben, was ist dann?«
    Sein Grinsen wurde noch breiter, doch reichte es nicht bis zu seinen Eulenaugen. Er kniff sie zusammen, ein wenig verwirrt, ein wenig verärgert. »Es gibt keinen Weg da heraus, Mr. Kenzie. Egal, was die Entführer glauben. Die Chancen stehen eins zu einer Million.«
    »Aber trotzdem haben sie die Steinbrüche vorgeschlagen.«
    »Dann haben sie halt einen dummen Vorschlag gemacht.« Dempsey blickte böse auf den Zeigestab. »Noch mehr blöde Fragen?«
    Um sechs trafen wir uns mit Detective Maria Dykema von der Sondereinheit für Psychologische Verhandlungsführung in einem Lieferwagen, der ungefähr dreißig Meter abseits vom Ricciuti Drive unter einem Wasserturm geparkt war.
    Der Ricciuti Drive verläuft quer durch das Herz der Steinbrüche von Quincy. Detective Dykema war eine zierliche, schlanke Frau Anfang Vierzig mit weißblondem kurzem Haar und Mandelaugen. Sie trug ein dunkles Kostüm und zerrte fast das ganze Gespräch hindurch geistesabwesend an einem Perlenohrring im linken Ohrläppchen.
    »Wenn einer von Ihnen die Entführer und das Kind vor sich sieht, was tun Sie dann?« Sie streifte uns vier mit einem flüchtigen Blick und richtete ihn auf die Wand des Wagens, an die jemand eine Abbildung aus dem National Lampoon gehängt hatte, auf der einem Hund eine Pistole an den Kopf gesetzt wurde. Darunter stand: KAUFEN SIE DIESE ZEITSCHRIFT, ODER WIR ERSCHIESSEN DIESEN HUND. »Ich warte«, sagte sie.
    Broussard begann: »Wir sagen dem Verdächtigen, er soll…« »Sie bitten den Verdächtigen«, korrigierte sie. »Wir bitten den Verdächtigen, das Kind freizulassen.« »Und wenn der >Fick dich< antwortet und statt dessen den Hahn spannt, was dann?« »Dann…«
    »Dann ziehen Sie sich zurück«, ergänzte sie. »Sie behalten ihn im Auge, aber Sie lassen ihm Raum. Gerät er in Panik, ist das Kind tot. Fühlt er sich bedroht, ebenfalls. Als erstes müssen Sie ihm den Eindruck vermitteln, er habe Platz, Raum zum Atmen. Sie wollen nicht, daß er sich Ihnen überlegen fühlt, aber sie wollen auch nicht, daß er sich hilflos fühlt. Sie möchten, daß er merkt, daß er die Wahl hat.« Sie wandte den Blick von dem Foto ab, zog an ihrem Ohrring und sah mir in die Augen. »Klar?« Ich nickte.
    »Reizen Sie den Verdächtigen nicht unnötig, egal, was Sie tun. Machen Sie keine plötzlichen Bewegungen. Wenn Sie etwas vorhaben, sagen Sie es ihm zuerst. Zum Beispiel: Ich ziehe mich jetzt zurück. Ich senke jetzt die Waffe et cetera.« »Ihn zu bemuttern«, sagte Broussard, »das empfehlen Sie uns.«
    Sie lächelte schwach, den Blick auf ihren Rocksaum geheftet. »Detective Broussard, ich habe sechs Jahre Erfahrung im Verhandeln mit Entführern und bisher nur eine Geisel verloren. Wenn Sie sich lieber die Lunge aus dem Hals schreien wollen: »Runter, du Arschloch«, wenn Sie in so eine Situation geraten - tun Sie sich keinen Zwang an. Aber tun Sie mir den Gefallen und ersparen Sie mir Ihre Pilgerreise durch alle Talkshows, wenn der Knilch Ihnen Amanda McCreadys Herz über das ganze Hemd pustet.« Sie sah ihn mit erhobenen Augenbrauen an. »Okay?«
    »Detective«, erwiderte Broussard. »Ich wollte Ihre Methoden nicht in Frage stellen. Ich habe bloß eine Feststellung gemacht.«
    Poole nickte. »Wenn wir ihn bemuttern sollen, um dieses Mädchen zu retten, stecke ich den Kerl sogar in eine Wiege und singe ihm Schlaflieder vor. Das garantiere ich Ihnen.«
    Sie seufzte, lehnte sich zurück und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. »Die Wahrscheinlichkeit, daß einer von Ihnen den Verbrecher mit Amanda McCready trifft, ist fast gleich Null. Aber wenn, dann vergessen Sie nicht: Die haben nur das Mädchen. Menschen, die Geiseln nehmen und dann in eine Sackgasse geraten, reagieren wie in die Enge getriebene Ratten. Meistens sind sie vollkommen verängstigt, aber zu allem entschlossen. Und diese Leute werden weder sich selbst noch Ihnen die Schuld an der ganzen Sache geben. Die geben dem Mädchen die Schuld. Und wenn Sie nicht ganz vorsichtig sind, schneiden sie ihr die Kehle durch.«
    Sie wartete, bis wir das verdaut hatten. Dann holte sie vier Visitenkarten aus der

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