Kein König von Geburt
schlurfenden Füßen aufgewirbelter Staub hing um ihn in der stillen Luft. Die Büsche rochen scharf nach Harz. Insekten summten, und die Platten seiner Rüstung klangen mißtönend bei den ungeschickten Bewegungen des Stocks.
Wohin gehe ich? ... Warum bin ich hier? ... Ja. Um zu rufen. Um eine telepathische Botschaft abzusenden, den anderen mitzuteilen, daß ich lebe. Ich muß hinaufsteigen, über den gedankenverdunkelnden Fels hinauskommen. Sonst hat die geschwächte Fernsprache keine Reichweite ...
Endlich erreichte er die Höhe, war aber noch immer inmitten von dichtem Maquis und krummen Wacholderbüschen. Das Gehen wurde ihm trotzdem leichter, und es wehte eine leichte Brise. Er mußte sie rufen ... die Überlebenden der Heerschar, seine leiblichen Brüder und Schwestern. Sie rufen und auf Rettung warten.
Er gewann den Gipfel und kam an die offene Stelle, wo die Regenschirmpinien wuchsen und Asche und Holzkohle von Huldahs letztem Freudenfeuer (sie hatte damit sein Erwachen gefeiert) auf einem Kreis verbrannten Bodens herumlagen. Und da sah er zum ersten Mal das Neue Meer, das seine Welt ertränkt hatte. Weit und blau, nicht milchweiß, wie die seichten Lagunen gewesen waren, so erstreckte es sich bis an den nebligen fernen Horizont und nach Norden und Süden bis an die Grenze seines schwachen geistigen Auges.
Nodonn umklammerte seinen Stab mit der gepanzerten und mit der hölzernen Hand, und doch fiel er. Auf den Knien, immer noch überwältigt von dem Anblick, stöhnte er laut. Die Erinnerung kam zurück: Die heranbrausende gigantische Woge, die Schreie der Ertrinkenden. Und über dem Chaos widerhallend ein Gelächter, hart wie das Krächzen eines Raben ...
Er ruhte sich unter einer der zerzausten Pinien aus, und es gelang ihm sogar, seine Rüstung abzulegen. Es dünkte ihn fast ein Wunder, daß er winzige Erdbeeren zwischen den Steinen fand und genug zu sammeln vermochte, um den Durst wie den Hunger zu stillen. Dann kroch er an den Rand des Gipfels und strengte von neuem seine Fernsicht an.
Norden: Früher hatten sich auf Kersic Salzebenen von den nördlichsten Felsen bis zu dem Kontinentalsockel östlich von Var-Mesk erstreckt, einer kleinen Stadt, deren Nachbarschaft zu Lagern von kalzinierter Soda sie zum Mittelpunkt der Glasherstellung machte. Jetzt waren all diese Flächen überflutet, und Kersic war eine echte Insel.
Süden: Salzwasser bis nach Afrika. In dieser Richtung hatte eine der tiefsten Stellen der alten Lagune gelegen.
Osten: Das Binnenland Kersics, zerklüftet und bewaldet.
Westen: Aven ...
O Göttin, ja. Da lag es, undeutlich wahrgenommen. Die Halbinsel geschrumpft, Salzwasser weit in die Täler hinaufkriechend, und Muriah in Trümmern und still und vom Dschungel überwachsen. Wellen schlugen gegen die geborstenen Stufen von Thagdals Palast. Die Pflanzungen verlassen, die Antilopenherden ungenutzt, die Chalikos und Helladen zum Wildleben zurückgekehrt. Ein verängstigter Überrest der domestizierten Ramas trippelte um die Ruinen. Vergeblich warteten sie darauf, daß ihre Herren die kalten kleinen Halsreifen von neuem belebten.
Was war übriggeblieben? Wer war übriggeblieben? Was sollte er tun?
Die Fragen tummelten sich in seinem Gehirn so verrückt wie Flöckchen von Blattgold, die man in einem Glas mit Sternenwasserlikör umrührt. Das Blut brüllte ihm in den Ohren, und pulsierende farbige Massen schwammen vor seinen trüben Augen.
Ruf um Hilfe.
Nein!
Warum warnte ihn ein aufblitzendes Vorauswissen? Warum schrie ihm jeder Instinkt zu, vorsichtig zu sein, kein Zeichen zu geben, bis er sich einigermaßen erholt, bis er in Erfahrung gebracht hatte, was in den verlorenen sechs Monaten geschehen war, die er bewußtlos in einer Höhle Kersics gelegen hatte?
Was war das, wovor er sich verstecken mußte? Wer war es?
Er glitt in die Bewußtlosigkeit. Als er die Augen wieder aufschlug, wußte er, daß er seine Brüder und Schwestern nicht rufen durfte, auch nicht die schwachen telepathischen Brennpunkte, die die Städte des Festlandes markierten. Es gab nur eine Person, der sich zu enthüllen er wagte, nur eine, bei der er sich darauf verlassen konnte, sie werde ihm die Wahrheit über das Vielfarbene Land nach der Flut berichten. So schwach er war, er war immer noch fähig, seine Gedanken in dem intimen Modus auszusenden und sie schließlich zu erreichen. Sie mußte wissen, daß er noch am Leben war. Sie würde immerzu nach ihm lauschen, auch wenn die Vernunft ihr sagte, er sei
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