Kein König von Geburt
für St. Jack den Körperlosen anzuzünden.«
Cloud stand auf und sah nach achtern. Ihre Fernsicht wanderte nordwärts zu den kleinen Inseln vor der Mündung des Genil, wo die Truppen Celadeyrs und Aluteyns und der anderen spanischen Tanu seit zwei Tagen lagerten und die Ankunft der Flotte Aiken Drums erwarteten. Dann wandte sie sich westwärts, dem Atlantik zu. »Ich sehe Aiken immer noch nicht kommen«, meinte sie nervös. »Wie weit draußen sind sie jetzt, Elaby?«
»Ungefähr fünfzehn Stunden. Im Basislager am Genil werden sie im Morgengrauen eintreffen, wie Aiken es versprochen hat. Sie haben ihre Metafähigkeiten geschont und auf dem größten Teil des Weges von der Bretagne her die Winde von Mutter Natur benutzt. Erst heute morgen, als sie das Kap St. Vincent umrundeten, hat Aiken seine PK eingesetzt. Die Flotte muß jetzt sechsundzwanzig Knoten machen. Morgen werden wir alle wie geplant unterwegs zu den Befischen Kordilleren sein.«
»Und vielleicht werden wir alle sterben.« Cloud kam zu ihm, legte ihren Kopf auf seine Schulter und umarmte ihn so fest, daß sich ihre Finger wie Klauen in seine Rückenmuskeln gruben. »Liebling, ich weiß nicht, warum ... heute morgen die arme Jill, und vor uns diese dumme, gefährliche Sache, bei der wir gezwungenermaßen mit Aiken Drum Zusammenarbeiten müssen ... diese Gefühle ... das ist Wahnsinn, aber ...«
»Es ist normal«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Normal, in einem Augenblick, wo die Welt vor dem Ende zu stehen scheint, nach dem Leben zu greifen. Ein sehr häufiges Phänomen, wenn man den Büchern in der Bibliothek zu Hause auf Ocala glauben darf. Seuchen, Kriege, Erdbeben - alle Katastrophen entzünden die Fleischeslust. Der Fortpflanzungswille der Art.«
»Es ist lächerlich.«
Er küßte sie. »Nun, das ist Sex meistens. Na und?« Er führte sie an die Kajütentreppe. »Was meinst du, sollen wir ins Bett gehen und dann Klarschiff für den königlichen Besuch machen?«
Sie verschwanden. Die Brise erstarb, und die Dschungelgeschöpfe verstummten in der nachmittäglichen Hitze. Zwei Ramas tauchten kurz aus dem Unterholz auf, um den Blumenhügel zu inspizieren und die fremdartigen Einkerbungen auf der Steintafel zu betasten. Als ihre Neugier befriedigt war, verschmolzen sie wieder mit dem grünen Hintergrund.
In seiner engen Kabine auf dem großen Schoner, der das Tanu-Flaggschiff vorstellte, arbeitete Culluket an dem Küraß seiner Rubinrüstung, befestigte ein paar gelockerte Edelsteine des Emblems, ersetzte einen abgenutzten Gurt durch einen neuen und polierte dann das Ganze, daß das Glas mit seinem durchbohrten Totenkopf heller glänzte als eine Lache frischen Blutes.
Jedenfalls wirst du herrlich aussehen, wenn du stirbst, sagte er zu sich selbst. Nun bist du zum Schluß zu klug gewesen, Inquisitor! Solltest du nicht von deinem dämonischen Schätzchen verschlungen werden, wird dein überlistiges Hirn bestimmt in verbranntes Fleisch verwandelt, nachdem du zwischen Aiken Drum und dem Engel des Abgrunds als lebende Sicherung eingespannt gewesen bist. Du wirst für deinen König sterben, ein echter Märtyrer der Kriegsreligion deiner Vorfahren. Ein Held der Heerschar Nontusvels könnte kein glorreicheres Schicksal verlangen! Welch ein Jammer, daß du ein Verräter an deinem Blut und ein Atheist und so süchtig nach Leben bist, daß du dir jetzt jede Erniedrigung gefallen ließest, nur um verschont zu bleiben. Du würdest sogar sie um Gnade anflehen, wäre das nicht absolut sinnlos ...
»Culluket«, sagte Mercy.
Er schrak aus einem bitteren Tagtraum auf. Mercys Gestalt, gekleidet in ihre grün-silberne Parade-Rüstung, materialisierte aus der Unsichtbarkeit. Sie war durch seine geschlossene Kabinentür gekommen. Diese Verletzung der Tanu-Etikette war beinahe ebenso schlimm wie das Levitieren ohne Reittier.
»Große Königin, was ist?« Hastig räumte er die verstreuten Stücke der Rüstung zusammen, damit sie Platz zum Stehen fand.
Ihr Geist strahlte eine furchtsame Intensität aus und prallte mit solcher koerziblen Wucht gegen seine dichte Barriere, daß seine Sicht sich trübte. »Ich brauche dich. Du sollst mich zu Lord Celadeyr begleiten, jetzt, solange Aikens Geist mit diesem gräßlichen Abaddon verbunden ist. Es mag meine einzige Chance sein. Beeil dich, Mann! Leg deine Rüstung an! Es ist kein Höflichkeitsbesuch. Und ich werde das kleine Sigma-Feld brauchen, das Aiken dir als Schutz gegen Felice gegeben hat.«
Schnell wappnete er sich.
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