Kein König von Geburt
Frühlingssonnenschein über dieser Welt schwebend, die sie mitgeschaffen hatte, fand sie geistige Gesundheit und Vergessen.
Da entdeckte sie intelligentes Leben - und Gold.
Sie erzeugte einen psychokinetischen Sturm und eilte ostwärts. Das anfängliche Aufflackern von Lebens-Aura kam nicht über ihre fernwahrnehmende Schwelle, aber dem Raubvogel gelang es, sie in einer baumbewachsenen Kluft mit steilen Wänden aufzuspüren. Der Geruch nach kostbarem Metall, lebend und tot, regte sie bis zum Wahnsinn auf. Sie beschleunigte ihren metapsychischen Wind, bis er schwarze Federn aus ihren Schwingen riß und sie vor Schmerz und Wonne schrie. Und dann war sie da. Sie beruhigte die Luft und landete auf einem Felsvorsprung neben einer tröpfelnden Quelle.
Dort auf einer kleinen Lichtung kniete ein Tanu-Flüchtling neben der Leiche eines anderen. Das Rabenmädchen betrachtete sie. Dies Paar mußte sie kennen.
Es waren identische Zwillinge. Das war trotz der schrecklichen Kopfwunden, die die Leiche entstellten, deutlich zu sehen. Der weinende Überlebende war immer noch schön. Er besaß die klassischen Züge der Heerschar Nontusvels. Offensichtlich war er gerade von der Jagd zurückgekehrt, denn eine tote Gazelle und ein improvisierter Speer (ein Glasdolch, an einen Schößling gebunden) lagen neben ihm. Er trug rosig-goldene Lumpen, und der tote Zwilling war ebenfalls in Überreste gekleidet, die einmal die schöne Tracht der Psycho-kinetischen Gilde gewesen waren.
Es sah so aus, als habe der Tote nicht darauf warten wollen, daß sein Bruder mit Essen zurückkehrte. Ein Büschel der tödlichen rosa Narzissen, die neben der Quelle wuchsen, war zum Teil ausgegraben worden, und eine halb gegessene Zwiebel lag auf dem Boden.
Der gigantische Rabe hob die Schultern. Bei seinem harten Ruf - Kraah, kraah - blickte der Trauernde hoch, zitternd und mit großen Augen. Interessiert stellte der Rabe fest, daß dieser Zwilling buchstäblich nur einen halben Verstand besaß. Er und sein Bruder hatten offenbar in einer mentalen Symbiose von äußerster Intimität gelebt; sie mußten gewaltiger Taten fähig gewesen sein, bevor die Flut sie davonspülte und hier in Nordafrika liegenließ. Aber der Tod seines Bruders hatte den überlebenden Zwilling in ein Stadium der Latenz zurückgeschleudert, das noch unter dem eines »normalen« menschlichen Wesens lag.
Der große Vogel glitt hinunter und stellte sich neben den Kopf des Leichnams. Der leidtragende Tanu starrte ihn stumm an, die grünen Augen trüb vor Tränen, der Mund ein Viereck der Qual. Erst als der Rabe seinen Schnabel auf die Kehle des Toten niedersenkte, rief er aus:
»Fian!«
Jetzt wußte das Rabenmädchen, wer sie waren, diese rosig-goldenen Zwillinge! Ein Wutanfall löste den Vogelkörper auf, und da stand eine schlanke Menschenfrau in einer blauen Glasrüstung. Sie trug keinen Helm, und ihr Haar war eine plusterige platinfarbene Wolke. Ihre Augen blitzten mit dem Zorn Hekates.
Kuhal Erderschütterer erkannte sie ebenfalls. Er erinnerte sich an den weiten dunklen Raum in der Festung der Koerzierer-Gilde, an die geballte Kraft von Nontusvels Heerschar, die darauf wartete, daß die menschlichen Saboteure die Ringefabrik angriffen, diese mit Eisen bewaffneten Geringen. Angeführt wurden sie von dieser kleinen schrecklichen Frau. Kuhal erinnerte sich an psychokreative Detonationen, fallendes Mauerwerk, mentalen und physischen Kampf - und an die Glorie der Heerschar, die ungeachtet der Kraft dieses weiblichen Monsters inmitten von Rauch und Blut siegreich geblieben war. Dies war Felice, die seine Schwester Epone getötet und geschworen hatte, die gesamte Tanu-Rasse zu vernichten - nur um in Imidols Hinterhalt zu laufen und von Culluket gefoltert zu werden.
Felice lachte. Sie hielt sein jämmerliches Bewußtsein wie mit einer Pinzette und stocherte in den Trümmern herum.
Kuhal und Fian! Brüder meines Geliebten. Was für ein komischer Geist ... du warst die linke Gehirnhälfte, und er war die rechte, Konjunktion und Opposition! Kuhal Erderschütterer, Zweiter Lord der Psychokinetiker, und Fian Himmelsbrecher, seine bessere Hälfte!
Ihr verrücktes Kichern verwandelte sich in heisere Krächzlaute. Wieder schlug der große Rabe seine schwarzen Schwingen. Kuhal wich geduckt zurück, beide Hände um seinen goldenen Halsring geklammert.
Felices mentale Stimme fragte verdrießlich:
Aber wo ist der Geliebte wo ist er? Ich rufe und rufe und nur die fernen Teufel und der
Weitere Kostenlose Bücher