Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
heraus. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich ihn angehalten hatte. »Und jetzt müssen Sie mit Violet sprechen.«
» Violet ?« Er klingt perplex. »Sie meinen doch nicht etwa Violet, meine wetterwendische Exassistentin?«
»Sie ist hier bei mir. Hören Sie sie an, Sam. Bitte.« Ich reiche ihr das Handy.
»Hey, Sam«, sagt Violet locker. »Tut mir leid, dass ich Sie im Stich gelassen habe. Aber Poppy hat Ihnen ja geholfen, nicht?«
Während sie redet, gehe ich zum Tresen und hole mir noch einen Kaffee, obwohl ich dermaßen aufgedreht bin, dass ich es lieber lassen sollte. Sams Stimme zu hören hat mich fast aus der Bahn geworfen. Am liebsten hätte ich ihm gleich alles erzählt. Am liebsten hätte ich mich angekuschelt und zugehört, was er dazu zu sagen hatte.
Aber das geht nicht. Erstens weil er selbst genug Probleme hat. Und zweitens weil … wer ist er denn? Nicht mein Freund. Nicht mein Kollege. Nur irgendein Mann, für den es in meinem Leben keinen Platz gibt. Es ist aus. Für uns heißt es nun Lebewohl.
Vielleicht schreiben wir uns hin und wieder mal eine SMS . Vielleicht verabreden wir uns verschämt im nächsten Jahr. Wir werden beide anders aussehen, und wir werden uns hölzern begrüßen und bereuen, gekommen zu sein. Wir werden darüber lachen, wie absurd die ganze Sache mit dem Handy war. Wir werden nie erwähnen, was im Wald passiert ist. Eben weil es nie passiert ist.
»Alles okay, Poppy?« Violet steht vor mir, wedelt mit dem Handy vor meiner Nase herum. »Hier.«
»Oh!« Ich komme zu mir und nehme es. »Danke. Haben Sie mit Sam gesprochen?«
»Er hat die Datei geöffnet, während wir geredet haben. Er ist total begeistert. Ich soll Ihnen sagen, dass er Sie später anruft.«
»Ach. Na ja … das muss er nicht.« Ich nehme meinen Kaffee. »Egal.«
»Hey, hübscher Stein.« Violet nimmt meine Hand. 93 »Ist das ein Smaragd?«
»Ja.«
»Cool? Und wer ist der Glückliche?« Sie zückt ein iPhone. »Darf ich den Ring fotografieren? Ich suche Ideen für den Fall, dass Aran Milliardär wird. Haben Sie ihn selbst ausgesucht?« Sie macht eine Pause, als wir uns beide wieder setzen.
»Nein, er hatte ihn schon, als er um meine Hand anhielt. Es ist ein Familienring.«
»Romantisch.« Violet nickt. »Wow. Sie haben es also nicht geahnt?«
»Nein. Ganz und gar nicht.«
»Und Sie so: ›Scheiße!‹, oder?«
»Mehr oder weniger.« Ich nicke.
Er scheint mir eine halbe Ewigkeit her zu sein, dieser Abend, an dem Magnus mich gefragt hat. Ich war so überdreht. Ich kam mir vor wie in einer magischen Seifenblase, in der alles schillerte und perfekt war und nichts mehr schiefgehen konnte. Mein Gott, war ich dämlich …
Bevor ich es verhindern kann, fällt eine Träne auf meine Wange.
»Hey.« Beunruhigt sieht Violet mich an. »Alles okay?«
»Ach, nichts weiter!« Ich lächle, wische mir die Augen. »Nur … eigentlich ist alles überhaupt nicht so toll. Es könnte sein, dass mein Verlobter mich betrügt, und ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich machen soll.«
Allein es in Worte zu fassen hilft mir schon. Ich hole tief Luft und lächle Violet an. »Tut mir leid. Vergessen Sie’s. Das wollen Sie doch gar nicht wissen.«
»Nein. Kein Problem.« Sie lehnt sich zurück und betrachtet mich eingehend. »Wieso sind Sie nicht sicher, ob oder ob nicht? Wieso glauben Sie, dass er es tut?«
»Ich habe eine anonyme Nachricht bekommen. Nur das.«
»Dann ignorieren Sie die Nachricht.« Violet mustert mich. »Oder haben Sie so ein komisches Gefühl? Halten Sie es für möglich, dass er so was tut?«
Einen Moment lang schweige ich. Ich wünschte mir so sehr, ich könnte sagen: »Niemals! Nie im Leben!« Aber zu viele Dinge sind in meinem Kopf hängen geblieben. Dinge, die ich nicht hatte sehen wollen, die ich ausblenden wollte. Magnus, wie er auf Partys mit Mädchen flirtet. Magnus im Kreise seiner Studentinnen, die Arme lässig um ihre Schultern gelegt. Magnus, wie er von Annalise praktisch unsittlich befingert wurde.
Frauen mögen Magnus. Und er mag sie.
»Ich weiß nicht«, sage ich und starre in meinen Kaffee. »Vielleicht.«
»Und haben Sie eine Ahnung, mit wem er es treibt?«
»Vielleicht.«
»Na also!« Violet ist voller Tatendrang. »Stellen Sie sich der Situation. Haben Sie schon mit ihm gesprochen? Haben Sie mit ihr gesprochen?«
»Er ist in Brügge bei seinem Junggesellenabschied. Ich kann nicht mit ihm reden. Und sie ist …« Ich breche den Satz ab. »Nein. Ich kann nicht. Ich meine, es
Weitere Kostenlose Bücher