Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
verabschiede. Ich atme schwer, meine Hände sind zu Fäusten geballt. Es reicht. Vielleicht habe ich keinen Beweis dafür, dass sie mit Magnus schläft – aber auf diese Angelegenheit kann ich sie ohne Weiteres ansprechen. Und das tue ich jetzt gleich.
Ich weiß nicht, was Lucinda heute treibt. In den letzten Tagen habe ich von ihr weder eine E-Mail noch eine SMS bekommen, was eher ungewöhnlich ist. Als ich ihr schreibe, zittern mir richtig die Hände.
Hi, Lucinda! Wie geht’s? Was treibst du so? Kann ich helfen? Poppy
Sofort antwortet sie:
Bin zu Hause und hab noch ein paar Sachen zu klären. Keine Sorge. Nichts, wobei du helfen könntest. Lucinda
Lucinda wohnt in Battersea. Zwanzig Minuten mit dem Taxi. Ich werde ihr keine Gelegenheit geben, sich eine Geschichte auszudenken. Ich will sie überraschen.
Ich winke mir ein Taxi heran und nenne ihre Adresse, dann lehne ich mich zurück und versuche ruhig zu bleiben, nicht die Fassung zu verlieren, doch je länger ich nachdenke, desto ratloser werde ich. Lucinda hat meinen Ring genommen. Macht sie das zur Diebin ? Hat sie eine Kopie anfertigen lassen und den echten Ring behalten, um ihn zu verkaufen? Ich betrachte meine linke Hand. Bin ich sicher, dass das der echte Ring ist?
Oder wollte sie irgendwie helfen? Und hat dann vergessen, dass sie ihn noch bei sich hatte? Vielleicht sollte ich im Zweifel von ihrer Unschuld ausgehen …
Nein, Poppy. Vergiss es.
Als ich bei ihrem rot geklinkerten Wohnblock ankomme, macht gerade ein Typ in Jeans die Haustür auf. Eilig schlüpfe ich hinter ihm hinein und laufe die drei Treppen zu Lucindas Wohnung hinauf. So wird sie nicht vorgewarnt, dass ich komme.
Vielleicht steht sie gleich vor mir in der Tür mit dem echten Ring und dem ganzen anderen Schmuck, den sie ihren gutgläubigen Freunden gestohlen hat. Vielleicht ist sie gar nicht zu Hause, weil sie Urlaub in Brügge macht. Vielleicht öffnet mir Magnus die Tür, in ein Bettlaken gewickelt …
O Gott. Hör auf, Poppy.
Ich klopfe an die Tür, versuche, wie ein Paketbote zu klingen, und es muss mir wohl ganz gut gelungen sein, denn sie reißt die Tür auf mit genervter Miene und ihrem Handy am Ohr. Dann erstarrt sie, ihr Mund ein »O«.
Auch ich stehe wie versteinert da, ebenso sprachlos. Mein Blick geht an Lucinda vorbei zu dem riesigen Koffer im Flur, dann zum Reisepass in ihrer Hand, dann wieder zu ihrem Koffer.
»So bald wie möglich«, sagt sie. »Terminal Vier. Danke.« Sie legt auf und funkelt mich an, als wollte sie mich zu der Frage provozieren, was sie da eigentlich treibt.
Ich zermartere mein Hirn, um mir was Spitzes, Geistreiches einfallen zu lassen, was ich sagen könnte, doch die Fünfjährige in mir ist schneller.
»Du hast mir meinen Ring weggenommen!« Als die Worte herausplatzen, merke ich, wie ich zu allem Überfluss rot anlaufe. Vielleicht sollte ich auch noch mit dem Fuß aufstampfen.
»Ach du meine Güte.« Lucinda rümpft verächtlich die Nase, als wäre es gesellschaftlich absolut ungehörig, seine Hochzeitsplanerin des Diebstahls zu bezichtigen. »Du hast ihn ja wieder, oder?«
»Aber du hast ihn dir einfach genommen!« Ich trete ein, obwohl sie mich nicht dazu aufgefordert hat, und sehe mich um. Ich war noch nie in Lucindas Wohnung. Sie sieht ziemlich vornehm aus und wurde offenbar von einem Innendesigner eingerichtet, ist aber gleichzeitig ein totaler Saustall, alle Tische und Stühle vollgemüllt, überall dreckige Weingläser. Kein Wunder, dass sie sich lieber in Hotels verabredet.
»Hör zu, Poppy.« Sie seufzt übellaunig. »Ich bin beschäftigt, okay? Wenn du nur gekommen bist, um mich zu beschimpfen, dann muss ich dich leider bitten zu gehen.«
Hä?
Sie ist diejenige, die was angestellt hat. Sie ist diejenige, die einen kostbaren Verlobungsring genommen und so getan hat, als gehöre er ihr. Wie bringt sie es fertig, diesen Umstand einfach zu übergehen und es so aussehen zu lassen, als stünde es mir nicht zu, sie darauf anzusprechen?
»Also, wenn das alles ist, ich bin wirklich sehr beschäftigt …«
»Augenblick mal!« Die Kraft in meiner Stimme überrascht mich selbst. »Das ist nicht alles. Ich möchte wissen, wieso du den Ring genommen hast. Wolltest du ihn verkaufen? Brauchtest du das Geld?«
»Nein, ich brauchte das Geld nicht.« Mürrisch sieht sie mich an. »Sie möchten wissen, wieso ich ihn genommen habe, Miss Poppy? Weil er eigentlich mir gehört!«
» Dir ? W…«
Ich bringe das Wort nicht heraus, von einem
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