Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
Kunstwerke an. Sie beteuern einander, dass ihr Sohn eine schlechte Wahl getroffen hat, was seine Zukünftige angeht. Sie wetten darauf, dass wir kein Jahr durchhalten.
Als Magnus wieder aus dem Kapellenvorraum kommt, hole ich tief Luft. Mir ist ganz schlecht vor Nervosität.
»Und … wie finden deine Eltern das alles?«, sage ich so leichthin, wie ich kann. »Ich meine, dein Vater hat mit der Kirche nichts am Hut, oder? Und auch nicht mit … mit … dem Heiraten.«
Ich habe ihm das Stichwort gegeben, mir alles zu beichten. Aber Magnus zuckt nur schmollend mit den Schultern.
»Für die ist es okay.«
Ich nippe ein paarmal an meinem Tee, starre trübsinnig die alten Steine am Boden an und zwinge mich, das Thema weiterzuverfolgen. Ich sollte ihm widersprechen. Ich sollte sagen: »Ich habe euch eben streiten gehört.« Ich sollte es ihm aus der Nase ziehen.
Aber … ich kann es nicht. Ich bin nicht mutig genug. Ich will die Wahrheit nicht hören … dass seine Eltern mich nicht mögen.
»Muss nur mal eben meine Mails checken.« Bilde ich es mir ein, oder weicht Magnus meinem Blick aus?
»Ich auch.« Betrübt löse ich mich von ihm und setze mich auf eine Seitenbank. Eine Weile hocke ich nur da, ziehe den Kopf ein und versuche, nicht loszuheulen. Schließlich nehme ich mein Handy. Ich kann mich ebenso gut auf den neusten Stand bringen. Hab schon seit Stunden nicht mehr nachgesehen. Als ich es anstelle, erschrecke ich fast angesichts des Summens und Blinkens und Piepens, mit dem es mich begrüßt. Wie viele Nachrichten habe ich verpasst? Eilig simse ich dem Concierge vom Berrow Hotel, dass er die Suche nach dem Ring abblasen kann, und bedanke mich bei ihm für seine Mühe. Dann wende ich mich den Kurznachrichten zu.
Ganz oben ist eine SMS von Sam, die vor etwa zwanzig Minuten gekommen ist:
Bin unterwegs nach Deutschland und übers Wochenende in den Bergen. Werde eine Weile nicht zu erreichen sein.
Als ich seinen Namen sehe, packt mich die Sehnsucht, mit jemandem zu sprechen, und ich schreibe zurück:
Hi. Klingt gut. Wieso Deutschland?
Es kommt keine Antwort, aber das ist mir egal. Ich finde es befreiend, einfach nur zu schreiben.
Das mit dem falschen Ring hat sich erledigt. Hat nicht geklappt. Wurde erwischt, und jetzt finden mich M’s Eltern wunderlich.
Einen Moment überlege ich, ob ich ihm erzählen soll, dass Lucinda den Ring hatte. Ich würde ihn zu gern fragen, was er davon hält. Aber … nein. Es ist zu verworren. Er wird sich nicht darauf einlassen wollen. Ich schicke ihm die Nachricht – dann merke ich, dass er vielleicht glauben könnte, ich wollte mich an ihn ranmachen. Eilig tippe ich:
Trotzdem danke für die Hilfe. Sehr freundlich.
Vielleicht sollte ich mal einen Blick in sein Eingangsfach werfen. Das habe ich ein wenig vernachlässigt. Da sind so viele Mails mit derselben Betreffzeile, dass ich staunend blinzle – bis es mir dämmert. Natürlich. Alle reagieren auf meine Einladung, Ideen einzusenden! Das sind alles Ideen!
Zum ersten Mal an diesem Abend bin ich ein wenig stolz auf mich. Wenn einer von diesen Leuten eine bahnbrechende Idee hat und Sams Firma revolutioniert, dann nur meinetwegen.
Voller Vorfreude klicke ich die erste Mail an.
Lieber Sam,
ich finde, wir sollten in der Mittagspause Yoga machen, auf Firmenkosten. Einige andere sehen das auch so.
Gruß,
Sally Brewer
Verunsichert runzle ich die Stirn. Das ist nicht gerade das, was ich erwartet hatte, aber vermutlich ist Yoga eine gute Idee.
Okay, nächste.
Lieber Sam,
danke für Ihre Mail. Sie haben um Ehrlichkeit gebeten. In unserer Abteilung kursiert das Gerücht, dass diese sogenannte Ideenfindung Mitarbeiter aussieben soll. Warum sind Sie nicht ehrlich zu sich selbst und sagen es uns, wenn wir gefeuert werden sollen?
Mit freundlichen Grüßen,
Tony
Ich blinzle erstaunt. Bitte?
Okay, das ist nur eine absurde Reaktion. Der ist doch nicht ganz dicht. Eilig scrolle ich zur nächsten Mail.
Lieber Sam,
gibt es ein Budget für dieses »Neue Ideen«-Programm, das Sie angestoßen haben? Einige Teamleiter haben nachgefragt.
Danke,
Chris Davies
Noch so eine absurde Reaktion. Ein Budget ? Wer braucht ein Budget für Ideen?
Sam,
was soll das werden? Wenn Ihnen mal wieder danach zumute ist, eine neue Personalinitiative zu starten, seien Sie so nett und besprechen Sie sich mit den anderen Abteilungsleitern.
Malcolm
Die nächste kommt sogar noch deutlicher auf den Punkt.
Sam,
was hat das zu bedeuten? Schönen Dank
Weitere Kostenlose Bücher