Kein Kuss unter dieser Nummer: Roman (German Edition)
und ich sehe aus den Augenwinkeln, wie sie eilig Zuckertütchen aufreißt.
»Ich kann helfen!«, sage ich und lasse das Gleiten sein. »Was soll ich tun?«
»Danke«, flüstert Clemency, als ich zu ihr komme. »Antony möchte drei Stück Zucker, Magnus bekommt den Cappuccino, Wanda den mit Biscotti …«
»Wo ist denn mein Schoko-Muffin?«, sage ich stirnrunzelnd, und Clemency kriegt fast einen Herzinfarkt.
»Ich … ich habe keinen … ich kann noch mal zurückgehen …«
»Scherz!«, sage ich. »Kleiner Scherz!«
Je länger Clemency für Lucinda arbeitet, desto mehr wirkt sie wie ein verschrecktes Kaninchen. Das kann eigentlich nicht gesund sein.
Lucinda nimmt ihren Tee (Milch, ohne Zucker) mit kaum merklichem Nicken. Sie ist schon wieder total gestresst und hat ein riesiges Arbeitsblatt über den Kirchenbänken ausgebreitet. Angesichts des wilden Gekritzels, der zahllosen Post-its und Umkringelungen bin ich doch erstaunt, dass sie der Aufgabe bisher überhaupt gewachsen war.
»O Gott, o Gott«, stöhnt sie vor sich hin. »Wo ist die verfluchte Telefonnummer von diesem Floristen?« Sie blättert ein Bündel Zettel durch, dann rauft sie sich verzweifelt die Haare. »Clemency!«
»Soll ich sie für dich googeln?«, schlage ich vor.
»Clemency wird sie googeln. Clemency !« Das arme Mädchen zuckt so heftig zusammen, dass der Tee aus einem Becher schwappt.
»Den nehme ich«, sage ich eilig, um sie von dem Tablett zu befreien.
»Das wäre in der Tat äußerst hilfreich.« Lucinda atmet scharf aus. »Denn, weißt du, schließlich sind wir alle nur deinetwegen hier, Poppy. Und wir haben nur noch eine Woche bis zur Hochzeit. Und es ist noch schrecklich viel zu tun.«
»Ich weiß«, sage ich betreten. »Mh … tut mir leid.«
Ich habe keine Ahnung, wo Magnus und seine Eltern abgeblieben sind, also mache ich mich auf den Weg in den hinteren Teil der Kirche. Mit dem Papptablett von Costa Coffee schreite ich dann den Mittelgang entlang und stelle mich mit einem Schleier vor.
»Lächerlich!« Wandas gedämpfte Stimme höre ich zuerst. » Viel zu schnell.«
Unsicher sehe ich mich um, dann merke ich, dass ich sie hinter einer schweren verschlossenen Tür höre. Offenbar sind sie im Vorraum der Kapelle.
»Jeder weiß … Haltung gegenüber der Ehe …« Da spricht Magnus, aber die Tür ist so dick, dass ich nur hin und wieder ein Wort verstehen kann.
»… nicht über die Ehe per se !« Wandas Stimme wird plötzlich laut. »… ihr zwei … kann einfach nicht begreifen …«
» Ziemlich fehlgeleitet …« Plötzlich röhrt Antonys Stimme wie ein Fagott dazwischen.
Angewurzelt stehe ich da, drei Meter vor der Tür, mit einem Tablett von Costa Coffee in der Hand. Ich weiß, ich sollte nicht lauschen. Doch ich kann mich nicht beherrschen.
»… gib es zu, Magnus … großer Fehler …«
»… absagen. Nicht zu spät. Lieber jetzt, als eine hässliche Scheidung …«
Ich schlucke. Meine Hände zittern plötzlich, das Tablett gerät ins Wackeln. Was höre ich da? Was war das für ein Wort … Scheidung ?
Wahrscheinlich verstehe ich es falsch, sage ich mir. Es sind nur ein paar so dahingesagte Worte … sie könnten alles Mögliche bedeuten …
» Nun, wir werden trotzdem heiraten! Also könnt ihr euch ebenso gut mit dem Gedanken anfreunden!« , tönt Magnus’ Stimme plötzlich, klar wie eine Glocke.
Eiskalt läuft es mir über den Rücken. Es dürfte mir schwerfallen, dafür mehr als eine Interpretation zu finden.
Es folgt eine polternde Erwiderung von Antony, dann brüllt Magnus: »… wird nicht in einer Katastrophe enden!«
Eine Woge der Zuneigung für Magnus ergreift mich. Er klingt so zornig. Im nächsten Augenblick klappert es an der Tür, und blitzartig weiche ich zehn Schritte zurück. Als er herauskommt, laufe ich wieder vorwärts und versuche, entspannt zu wirken.
»Hi! Tässchen Tee?« Irgendwie schaffe ich es, normal zu klingen. »Alles in Ordnung? Ich hab mich schon gefragt, wo du geblieben bist!«
»Schön.« Er lächelt mich liebevoll an und schlingt seinen Arm um meine Taille.
Ihm ist nicht anzumerken, dass er sich eben mit seinen Eltern gestritten hat. Mir war gar nicht klar, dass er so gut schauspielern kann. Er sollte in die Politik gehen.
»Ich bringe meinen Eltern das Tablett.« Eilig nimmt er es mir aus der Hand. »Die beiden sind gerade … äh … dabei, sich die Kunstwerke anzusehen.«
»Super!« Ich bringe ein Lächeln zustande, aber mein Kinn bebt. Sie sehen sich keine
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