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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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und her zu sägen. Das Seil franste ein bisschen aus. Ich machte keine großen Fortschritte, versuchte aber, mich zu beeilen. Faser für Faser gab das Seil nach.
    Ich hatte es etwa zur Hälfte durchtrennt, als ich spürte, wie
die Plattform erbebte. Es war jemand auf der Leiter. Katy wimmerte leise. Ich rollte mich weg und saß, kurz bevor der Ghost eintrat, wieder auf meinem Stuhl. Er sah mich an.
    »Du bist ja ganz außer Atem, Willie-Boy.«
    Ich schob die Glasscherbe hinter mich auf den Stuhl; fast saß ich darauf. Der Ghost betrachtete mich stirnrunzelnd. Ich sagte nichts. Mein Puls raste. Der Ghost sah Katy an. Sie versuchte, aufsässig zurückzustarren. Sie war so verdammt tapfer. Aber als ich zu ihr hinüberschaute, packte mich wieder die Angst.
    Das ausgefranste Seil war deutlich zu sehen.
    Der Ghost kniff die Augen zusammen.
    »Und, geht’s jetzt endlich weiter?«, fragte ich.
    Das reichte als Ablenkung. Der Ghost wandte sich zu mir. Katy veränderte die Position ihrer Hände so, dass das angeschnittene Seil etwas bedeckt war. Nicht viel, wenn man genau hinsah. Doch vielleicht reichte es. Der Ghost wartete einen Moment und ging dann den Laptop holen. Eine Sekunde lang – einen ganz kurzen Augenblick – wandte er mir den Rücken zu.
    Jetzt, dachte ich.
    Ich wollte aufspringen und dem Ghost die Glasscherbe wie ein selbst gebasteltes Gefängnismesser in den Hals rammen. Schnell überlegte ich. War ich zu weit weg? Wahrscheinlich. Und der Fahrer? War der bewaffnet? Traute ich mich …?
    Der Ghost fuhr wieder herum. Falls das eine Gelegenheit gewesen war, war sie jetzt verstrichen. Der Computer lief bereits. Der Ghost tippte ein bisschen. Er stellte mit einem Modem die Verbindung her. Er klapperte noch etwas mit der Tastatur, und ein Eingabefeld erschien. Er lächelte mir zu und sagte: »Zeit für einen Chat mit Ken.«
    Mein Magen verkrampfte sich. Der Ghost drückte die Eingabetaste. Auf dem Bildschirm sah ich, was er geschrieben hatte:
    Bist du da?

    Wir warteten. Die Antwort kam einen Augenblick später.
    Hier.
    Der Ghost lächelte. »Ah, Ken.« Er tippte wieder ein bisschen und drückte die Eingabetaste.
    Ich bin’s, Will. Ich bin bei Ford.
    Eine lange Pause entstand.
    Wie heißt das erste Mädchen, mit dem du rumgemacht hast?
    Der Ghost wandte sich zu mir. »Hab ich’s mir doch gedacht. Er will Beweise, dass du’s wirklich bist.«
    Ich sagte nichts, aber meine Gedanken überschlugen sich.
    »Ich weiß, was du denkst«, fuhr er fort. »Du willst ihn warnen. Du willst ihm eine Antwort geben, die ganz nahe an der Wahrheit ist.« Er trat zu Katy hinüber. Er hob den Griff des Lassos an. Er zog nur ein klein wenig daran. Das Seil legte sich um ihren Hals.
    »So sieht’s aus, Will. Ich möchte, dass du aufstehst. Ich möchte, dass du zum Computer gehst und die korrekte Antwort eintippst. Ich zieh das Seil langsam enger. Wenn du irgendwelche Tricks versuchst – wenn ich auch nur den Verdacht habe, dass du irgendwelche Tricks versuchst –, hör ich erst auf, wenn sie tot ist. Verstanden?«
    Ich nickte.
    Er zog das Lasso ein bisschen enger. Katy gab ein Geräusch von sich. »Los«, sagte er.
    Ich hastete zum Bildschirm. Angst lähmte meinen Verstand. Er hatte Recht. Ich hatte versucht, mir eine gute Lüge auszudenken, irgendwas, womit ich Ken warnen konnte.
    Doch das ging nicht. Jetzt nicht mehr. Ich legte die Finger auf die Tastatur und tippte:
    Cindi Shapiro.
    Der Ghost lächelte. »Im Ernst? Mann, das war ’ne scharfe Braut, Will. Ich bin beeindruckt.«

    Er ließ das Lasso los. Katy schnappte nach Luft. Er trat wieder an die Tastatur. Ich sah zu meinem Stuhl hinüber. Die Glasscherbe war unübersehbar. Schnell setzte ich mich wieder. Wir warteten auf die Antwort.
    Geh nach Hause, Will.
    Der Ghost rieb sich das Gesicht. »Interessante Antwort«, sagte er. Er überlegte. »Wo wart ihr beiden?«
    »Was?«
    »Cindi Shapiro. Wart ihr bei ihr, bei dir oder wo?«
    »Bei Eric Frankels Bar-Mizwa.«
    »Weiß Ken das?«
    »Ja.«
    Der Ghost lächelte. Er tippte wieder.
    Du hast mich auf die Probe gestellt. Jetzt du. Wo hab ich mit Cindi rumgemacht?
    Wieder eine lange Pause. Ich saß wie auf glühenden Kohlen. Es war ein schlauer Schachzug des Ghost, den Spieß ein bisschen umzudrehen. Vor allem jedoch wussten wir wirklich nicht, ob Ken am anderen Ende war oder nicht. Die Antwort würde es erweisen.
    Dreißig Sekunden vergingen. Dann:
    Geh nach Hause, Will.
    Der Ghost tippte weiter.
    Ich muss wissen, ob du’s

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