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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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wofür brauchst du mich dann?«, fragte ich.
    »Dein Bruder wollte sich nicht mit seinem Anwalt treffen«, sagte der Ghost. »Ich nehme an, er hat eine Falle gewittert. Wir haben aber einen neuen Termin für eine IM vereinbart. Wir hoffen sehr, dass du ihn zu einem Treffen mit uns überreden kannst.«
    »Und wenn nicht?«
    Er hielt das Seil hoch. Am Ende war ein Griff befestigt. »Weißt du, was das ist?«
    Ich antwortete nicht.
    »Ein Lasso aus dem Pandschab«, sagte er im Vortragston. »Die Thugs haben es benutzt. Sie waren als die ›Lautlosen Mörder‹ bekannt. Aus Indien. Manche glauben, dass sie im neunzehnten Jahrhundert ausgerottet wurden. Andere sind sich da nicht so sicher.« Er sah Katy an und hielt die primitive Waffe hoch. »Muss ich noch mehr sagen, Will?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Er wird merken, dass es eine Falle ist«, sagte ich.
    »Deine Aufgabe besteht darin, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Wenn dir das nicht gelingt …«, er blickte auf und lächelte, » … dann ist die gute Nachricht, dass du mit eigenen Augen sehen kannst, wie Julie damals gelitten hat.«
    Ich fühlte, wie mir das Blut in den Kopf schoss. »Du wirst ihn umbringen«, sagte ich.
    »Ach, nicht unbedingt.«
    Ich wusste, dass das gelogen war, aber sein Gesichtsausdruck wirkte beängstigend aufrichtig.

    »Dein Bruder hat belastende Aufnahmen gemacht«, sagte er. »Aber er hat sie dem FBI noch nicht gezeigt. Er hat das Zeug die ganze Zeit versteckt gehalten. Das ist gut. Es zeigt Kooperationsbereitschaft; er ist immer noch der alte Ken, den wir kennen und lieben. Und …«, er brach ab und überlegte, »… er hat etwas, das ich gern hätte.«
    »Und was ist das?«, fragte ich.
    Er überging meine Frage. »Also Folgendes: Wenn er mir alles überlässt und verspricht, wieder unterzutauchen, dann können wir alle unserer Wege gehen.«
    Eine Lüge. Das wusste ich. Er würde Ken umbringen. Er würde uns alle umbringen. Daran gab es für mich keinen Zweifel. »Und wenn ich dir nicht glaube?«
    Er ließ das Lasso um Katys Hals fallen. Sie stieß einen unterdrückten Schrei aus. Der Ghost lächelte und sah mir in die Augen. »Spielt das noch irgendeine Rolle?«
    Ich schluckte. »Ich glaube nicht.«
    »Glaube?«
    »Ich mach’s.«
    Er ließ das Lasso los; es hing wie eine perverse Kette um ihren Hals. »Nicht berühren«, sagte er. »Wir haben noch eine Stunde Zeit. So lange kannst du ihren Hals betrachten, Will. Und deiner Fantasie freien Lauf lassen.«

54
    Sie hatten McGuane auf dem falschen Fuß erwischt.
    Er musste mit ansehen, wie das FBI seine Räume stürmte. Damit hatte er nicht gerechnet. Natürlich war Joshua Ford ein wichtiger Mann. Natürlich würde sein Verschwinden Fragen aufwerfen, obwohl sie Ford gezwungen hatten, seine Frau anzurufen
und ihr zu sagen, dass er »in einer heiklen Angelegenheit« die Stadt verlassen müsse. Aber eine so heftige Reaktion? Das kam ihm übertrieben vor.
    Egal. McGuane war jederzeit auf alles vorbereitet. Er hatte das Blut mit einem neu entwickelten Peroxidreiniger entfernen lassen, so dass selbst ein Luminoltest ergebnislos verlaufen würde. Haare und Fasern waren ebenfalls beseitigt, aber selbst wenn sie ein paar fanden …? Er würde nicht bestreiten, dass Ford und Cromwell hier gewesen waren. Er würde es bereitwillig zugeben. Er würde hinzufügen, dass sie wieder gegangen waren. Und das konnte er beweisen: Sein Sicherheitsdienst hatte das echte Überwachungsvideo längst gegen das digital bearbeitete ausgetauscht, auf dem man sah, wie Ford und Cromwell aus freien Stücken das Gebäude verließen.
    McGuane drückte einen Knopf, der die Computerdateien automatisch löschte und überformatierte. Sie würden nichts finden. McGuane legte automatische Backups per E-Mail an. Der Rechner schickte stündlich eine E-Mail an einen geheimen Account. So wurden die Dateien sicher im Cyberspace aufbewahrt. Nur McGuane kannte die Adresse. Er konnte jederzeit auf das Backup zugreifen.
    Er erhob sich und richtete seine Krawatte, als Pistillo mit Claudia Fisher und zwei anderen Agenten zur Tür hereinstürmte. Pistillo richtete seine Waffe auf McGuane.
    McGuane breitete die Arme aus. Keine Angst. Niemals Angst zeigen. »Was für eine nette Überraschung.«
    »Wo sind sie?«, rief Pistillo.
    »Wer?«
    »Joshua Ford und Special Agent Raymond Cromwell.«
    McGuane verzog keine Miene. Ah, das erklärte es. »Wollen Sie damit sagen, Mr Cromwell ist ein Mitarbeiter des FBI?«
    »Genau«, bellte Pistillo.

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