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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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wir sind uns einig, dass Will Klein mehr weiß, als er zugibt.«
    »Hundertprozentig.«
    Pistillo stieß einen tiefen Seufzer aus. »Auf jeden Fall müssen wir ihm die schlechte Nachricht von Ms Rogers’ Ableben überbringen.«
    »Ja.«
    »Rufen Sie diesen Polizeichef in Utah an.«
    »Idaho.«

    »Egal. Er soll die Familie informieren. Er soll zusehen, dass die Eltern zur offiziellen Identifikation nach Nebraska fliegen.«
    »Was ist mit Will Klein?«
    Pistillo überlegte. »Ich setz mich mit Squares in Verbindung. Vielleicht kann er uns beistehen, wenn wir ihm diesen Schlag versetzen.«

18
    Meine Wohnungstür stand offen.
    Nach Tante Selmas und Onkel Murrays Ankunft waren mein Vater und ich uns aus dem Weg gegangen. Ich liebe meinen Vater. Ich glaube, das ist ziemlich deutlich geworden. Aber absurderweise gebe ich ihm irgendwie die Schuld am Tod meiner Mutter. Ich weiß nicht, woher dieses Gefühl kommt, es fällt mir auch schwer, das einzugestehen, sogar mir selbst gegenüber, aber seit wir zum ersten Mal von ihrer Krankheit erfuhren, hatte ich ihn mit anderen Augen gesehen. Als hätte er sie nicht ausreichend unterstützt. Vielleicht meinte ich auch, es wäre seine Aufgabe gewesen, sie nach dem Mord an Julie Miller zu retten. Er war nicht stark genug gewesen. Er hatte als Ehemann versagt. Hätte wahre Liebe ihr nicht geholfen, sich zu erholen? Hätte sie ihre Lebensgeister nicht wieder zum Leben erwecken müssen?
    Wie schon gesagt: absurd.
    Die Tür stand nur einen Spaltbreit offen, aber das gab mir doch zu denken. Ich schließe immer ab – hey, ich wohne in Manhattan, in einem Haus ohne Portier –, aber andererseits war ich in letzter Zeit nicht immer voll bei der Sache gewesen. Vielleicht hatte ich es in der Eile einfach vergessen, weil ich mich mit Katy Miller treffen wollte. Wäre schließlich völlig normal.
Manchmal klemmt der Schnapper auch. Vielleicht hatte ich die Tür gar nicht richtig zugemacht.
    Ich runzelte die Stirn. Unwahrscheinlich.
    Ich legte die Hand an die Tür und stieß sie leicht auf. Ich horchte auf das leise Quietschen. Es blieb aus. Doch ich hörte etwas anderes. Anfangs nur ganz schwach. Ich steckte den Kopf durch die Öffnung und sofort wurde mir innerlich eiskalt.
    Ich konnte nichts Ungewöhnliches sehen. Das Licht war aus und die Jalousien waren geschlossen, es war also ziemlich dunkel. Nein, da war nichts Ungewöhnliches. Wenigstens nicht zu sehen. Ich blieb im Flur stehen und steckte den Kopf etwas weiter hinein. Aber ich hörte Musik.
    An sich wäre auch das kein Grund zur Besorgnis gewesen. Ich habe es mir nicht zur Gewohnheit gemacht, immer das Radio eingeschaltet zu lassen wie einige sicherheitsbesessene New Yorker, muss jedoch zugeben, dass ich in letzter Zeit ziemlich geistesabwesend gewesen war. Durchaus möglich, dass ich den CD-Player nicht ausgeschaltet hatte. Aber das allein hätte mir keinen solchen Schrecken eingejagt.
    Was mich hingegen erschreckte, war das Stück, das gerade lief.
    Das ging mir an die Nieren. Drinnen lief – ich versuchte mich zu erinnern, wann ich den Song das letzte Mal gehört hatte – Don’t Fear the Reaper. Ich fröstelte.
    Kens Lieblingssong.
    Von Blue Öyster Cult, einer Heavy Metal Band; dieses Stück, ihr größter Hit, war allerdings eher ruhig, fast schon ätherisch. Ken hatte oft mit seinem Tennisschläger so getan, als würde er die Gitarrensoli mitspielen. Und ich wusste, dass es dieses Stück auf keiner meiner CDs gab. Hundertprozentig nicht. Da schwangen zu viele Erinnerungen mit.
    Was zum Teufel ging hier vor?

    Ich trat ins Wohnzimmer. Es war, wie gesagt, dunkel. Ich blieb stehen und kam mir schrecklich blöd vor. Hm. Warum machst du nicht einfach das Licht an, du Volltrottel? Das wäre doch mal eine brillante Idee?
    Als ich die Hand nach dem Schalter ausstreckte, sagte eine andere innere Stimme: Oder noch besser, warum haust du nicht einfach ab? Das schreien wir den Unwissenden auf der Kinoleinwand doch immer zu, stimmt’s? Der Mörder hat sich im Haus versteckt. Das bescheuerte Mädchen entschließt sich, nachdem sie die enthauptete Leiche ihrer besten Freundin gefunden hat, weiter durchs dunkle Haus zu streifen, anstatt beispielsweise zu fliehen und dabei zu schreien wie ein angestochenes Schwein.
    Mann, wenn ich mich jetzt noch bis auf den BH auszog, wäre ich die perfekte Besetzung.
    Der Song endete mit einem Gitarrensolo und verklang. Ich wartete auf die Stille. Sie dauerte nur kurz. Dann fing die Musik von vorne an.

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