Kein Lebenszeichen
Derselbe Song.
Was zum Teufel ging hier vor?
Abhauen und schreien. Das war’s. Das wäre das Beste. Es gab nur ein Problem. Ich war nicht über eine enthauptete Leiche gestolpert. Was sollte das dann bringen? Was sollte ich machen? Die Polizei rufen? Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie das Gespräch ablaufen würde. Was ist das Problem, Sir? Ja, wissen Sie, auf meiner Stereoanlage läuft dauernd der Lieblingssong meines Bruders, daher habe ich beschlossen, schreiend durchs Treppenhaus zu laufen. Könnten Sie vielleicht eine bewaffnete Einheit vorbeischicken? Mhm, selbstverständlich, wir sind schon unterwegs.
Für wie blöde würden die mich halten?
Und selbst wenn ich annahm, dass irgendein Herumtreiber in meine Wohnung eingebrochen war und es sich darin bequem
gemacht hatte, einer, der seine eigene CD mitgebracht hatte … Tja, wer konnte das am ehesten sein?
Mein Herz schlug schneller, während meine Augen sich langsam an die Dunkelheit gewöhnten. Ich entschloss mich, das Licht ausgeschaltet zu lassen. Wenn hier ein Eindringling war, brauchte er nicht zu wissen, wo ich stand, die ideale Zielscheibe. Oder würde es ihn aus seinem Versteck aufscheuchen, wenn ich das Licht einschaltete?
Herrje, ich war nicht besonders gut in so was.
Ich entschloss mich, das Licht ausgeschaltet zu lassen.
Okay, gut, so machen wir’s. Das Licht bleibt aus. Und jetzt?
Die Musik. Der Musik folgen. Sie kam aus dem Schlafzimmer. Ich wandte mich in diese Richtung. Die Tür war geschlossen. Ich ging darauf zu. Vorsichtig. Ich würde mich nicht wie ein Volltrottel benehmen. Ich öffnete die Wohnungstür und ließ sie weit offen stehen – falls ich schreien oder fliehen musste.
In einer Art spastischem Gleiten bewegte ich mich aufs Schlafzimmer zu, indem ich den linken Fuß langsam ein Stück vorschob, den rechten aber immer in Richtung Tür zeigen ließ. Die Haltung erinnerte mich an eine von Squares’ Yoga-Übungen. Man breitet die Beine aus und beugt sich in eine Richtung, verlagert aber sowohl das Gewicht als auch das »Bewusstsein« in die andere Richtung. Der Körper bewegt sich in eine Richtung, der Geist in eine andere. Das nannten einige Yogis, zu denen Squares dankenswerterweise nicht gehörte, »Die Ausweitung des Bewusstseins«.
Ich rutschte einen Meter vor. Dann noch einen. Buck Dharma von Blue Öyster Cult – die Tatsache, dass ich mich nicht nur an seinen Namen erinnerte, sondern auch noch wusste, dass er in Wirklichkeit Donald Roeser hieß, besagte doch einiges über meine Kindheit – sang davon, dass wir wie sie sein könnten, wie Romeo und Julia.
Mit einem Wort: tot.
Ich streckte die Hand aus und legte sie an die Schlafzimmertür. Ich schluckte und drückte dagegen. Zu. Ich musste am Knauf drehen. Ich ergriff das Metall. Ich sah über meine Schulter. Die Wohnungstür stand immer noch weit offen. Mein rechter Fuß zeigte immer noch dorthin; bei meinem »Bewusstsein« war ich mir allerdings nicht mehr so sicher. Ich drehte den Knauf so leise wie möglich, in meinen Ohren dröhnte es trotzdem wie Kanonendonner.
Ich drückte ein wenig, damit der Schnapper sich löste. Dann ließ ich den Knauf los. Die Musik war jetzt lauter. Klar und rein. Lief wahrscheinlich auf dem Bose-CD-Player, den Squares mir vor zwei Jahren zum Geburtstag geschenkt hatte.
Ich steckte den Kopf hinein, um mich kurz umzusehen. Im gleichen Moment packte mich jemand in den Haaren.
Ich hatte kaum Zeit, nach Luft zu schnappen. Mein Kopf wurde mit einer solchen Wucht nach vorne gezerrt, dass ich den Boden unter den Füßen verlor. Mit ausgestreckten Händen flog ich im Superman-Stil durchs Zimmer und landete mit einem lauten Bauchklatscher.
Der Aufprall presste mir die Luft aus der Lunge. Ich versuchte, zur Seite abzurollen, aber er – ich ging davon aus, dass es sich um einen Mann handelte – war bereits über mir. Er setzte sich rücklings auf mich und schlang einen Arm um meinen Hals. Ich versuchte, mich zu wehren, aber sein Griff war unglaublich stark. Er zog seinen Arm nach hinten und drückte mir die Luft ab.
Ich konnte mich nicht bewegen. Als ich ihm vollkommen ausgeliefert war, beugte er seinen Kopf zu meinem herunter. Ich spürte seinen Atem in meinem Ohr. Er machte etwas mit seinem anderen Arm, um einen besseren Hebel zu bekommen oder sein Gewicht besser einsetzen zu können, und drückte zu. Meine Luftröhre wurde fast zerquetscht.
Mir quollen die Augen aus den Höhlen. Ich griff nach meiner Kehle. Nutzlos. Ich
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