Kein Lebenszeichen
Sheila hat dich angelogen oder, ich weiß nicht, eine Art abgekartetes Spiel mit dir gespielt. Kannst du mir folgen?«
»Kann ich.«
Er hob beide Hände. »Was soll das Ganze?«
»Weiß ich auch nicht.«
»Dann lass uns die verschiedenen Möglichkeiten durchgehen«, sagte Squares. Er hob einen Finger. »Erstens: Es könnte Zufall sein.«
Ich sah ihn nur an.
»Warte mal, mit Julie Miller bist du vor, was denn, vor zwölf Jahren gegangen?«
»Ja.«
»Vielleicht hat Sheila sich einfach nicht mehr an dich erinnert. Weißt du etwa, wie die Exliebhaber deiner Verflossenen heißen? Vielleicht hat Julie nie von dir erzählt. Oder Sheila hat deinen Namen einfach vergessen. Und Jahre später begegnet ihr beiden euch dann und …«
Ich sah ihn weiterhin nur an.
»Jaja, okay, ist ziemlich weit hergeholt«, stimmte er mir zu. »Vergessen wir das. Zweitens.« Squares hob einen weiteren Finger, schwieg einen Moment und sah zur Decke. »Verdammt, ich komm nicht weiter.«
»Genau.«
Wir aßen. Er grübelte noch etwas. »Okay, gehen wir davon aus, dass Sheila von Anfang an wusste, wer du bist.«
»Tun wir das.«
»Ich raff’s trotzdem nicht, Mann. Was bleibt denn dann noch übrig?«
»Verstellung«, erwiderte ich.
Die Dusche ging aus. Ich nahm ein Mohn-Bagel. Die Mohnkörner klebten an meiner Hand.
»Ich hab die ganze Nacht darüber nachgedacht«, sagte ich.
»Und?«
»Ich bleib immer wieder in New Mexico hängen.«
»Wieso?«
»Das FBI wollte Sheila verhören, weil sie irgendwas mit einem ungeklärten Doppelmord in Albuquerque zu tun hat.«
»Und?«
»Julie Miller ist auch ermordet worden, Jahre vorher.«
»Und der Mord ist auch noch ungeklärt«, sagte Squares. »Obwohl sie deinen Bruder verdächtigen.«
»Genau.«
»Du siehst irgendeine Verbindung zwischen den beiden Morden«, sagte Squares.
»Es muss eine geben.«
Squares nickte. »Okay, ich sehe Punkt A und Punkt B. Aber ich weiß nicht, wie du von einem zum anderen kommst.«
»Ich auch nicht«, sagte ich.
Wir schwiegen. Katy steckte den Kopf durch die Tür. Ihr Gesicht
hatte die übliche Katerblässe. Sie stöhnte und sagte: »Ich hab gerade noch mal gekotzt.«
»Nett, dass du mich auf dem Laufenden hältst«, sagte ich.
»Wo sind meine Klamotten?«
»Im Schlafzimmerschrank«, sagte ich.
Sie bedankte sich mit einer verhaltenen Geste und leidender Miene und schloss die Tür. Ich sah auf die rechte Seite der Couch, wo Sheila gern gesessen und gelesen hatte. Wie konnte das sein? Der alte Sinnspruch, dass es »besser ist, eine Liebe verloren als nie geliebt zu haben«, ging mir durch den Kopf. Ich dachte darüber nach. Mehr noch. Ich fragte mich, was schlimmer war – die große Liebe seines Lebens zu verlieren oder zu erkennen, dass sie einen vielleicht nie geliebt hatte.
Was für eine Auswahl!
Das Telefon klingelte. Diesmal wartete ich nicht auf den Anrufbeantworter. Ich nahm den Hörer ab und sagte: »Hallo.«
»Will?«
»Ja.«
»Hier ist Yvonne Sterno«, sagte sie. »Albuquerques Antwort auf Jimmy Olsen.«
»Was haben Sie herausgefunden?«
»Ich habe die ganze Nacht dran gesessen.«
»Und?«
»Es wird immer seltsamer.«
»Erzählen Sie.«
»Okay, ich habe meine Kontaktperson gebeten, Papiere und Steuerunterlagen durchzusehen. Verstehen Sie, meine Kontaktperson ist Beamtin, und ich habe sie gebeten, das in ihrer Freizeit zu erledigen. Normalerweise stehen Ihre Chancen besser, Wasser in Wein zu verwandeln oder meinen Onkel dazu zu bringen, ein Abendessen auszugeben, als einen Beamten dazu zu bringen, in der Freizeit zur Arbeit …«
»Yvonne?«, unterbrach ich sie.
»Ja.«
»Sie dürfen davon ausgehen, dass ich auch so von Ihrem Einfallsreichtum schon schwer beeindruckt bin. Sagen Sie mir einfach, was Sie rausbekommen haben.«
»Ja, okay, Sie haben Recht«, sagte sie. Ich hörte Papier rascheln. »Das Haus, in dem der Mord passiert ist, war von einer Organisation namens Cripco angemietet.«
»Und was machen die?«
»Lässt sich nicht feststellen. Das ist eine Briefkastenfirma. Die scheinen gar nichts zu machen.«
Ich dachte darüber nach.
»Owen Enfield hatte auch noch ein Auto. Einen grauen Honda Accord. Auch der war von den netten Menschen von Cripco geleast.«
»Vielleicht hat er für sie gearbeitet.«
»Möglich. Das versuch ich gerade rauszukriegen.«
»Wo ist der Wagen jetzt?«
»Das ist auch interessant«, sagte Yvonne. »Die Polizei hat ihn verlassen auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums in Lacida entdeckt.
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