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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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wie Julie war, als sie hergekommen ist.« Rose Baker lächelte. »Sie sehen ihr sehr ähnlich.«
    »Das habe ich schon öfter gehört.«
    »Es ist ein Kompliment. Wenn Julie ein Zimmer betrat, wurde es heller. In vielen Beziehungen hat sie mich fast an Diana erinnert. Beide waren wunderschön. Beide hatten etwas ganz Besonderes an sich – fast etwas Himmlisches.« Sie lächelte und winkte mit dem ausgestreckten Zeigefinger. »Ach, und beide haben ihre wilde Phase durchgemacht. Und sie waren beide außergewöhnlich starrköpfig. Julie war ein guter Mensch. Sie war freundlich und sehr klug. Sie war eine ausgezeichnete Studentin.«
    »Trotzdem«, sagte ich, »hat sie ihr Studium abgebrochen.«
    »Ja.«
    »Warum?«
    Sie sah mich an. »Lady Di hat versucht, standhaft zu bleiben. Aber man kann nicht allen Schicksalsschlägen ausweichen. Sie kommen von allen Seiten.«
    Katy sagte: »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
    Eine Lady-Di-Uhr schlug mit einer hohl klingenden Big-Ben-Melodie die Stunde. Rose Baker wartete. Als es vorbei war, sagte sie: »Die Menschen verändern sich, wenn sie aufs College gehen. Die meisten sind zum ersten Mal von zu Hause weg und zum ersten Mal auf sich allein gestellt …« Sie verlor sich in ihren Gedanken, und ich dachte schon, ich müsste sie anstupsen, damit sie weitersprach.
    »Nein, so stimmt das nicht. Julie war am Anfang sehr gut, aber dann, na ja, hat sie sich irgendwie immer mehr zurückgezogen. Von uns allen. Sie hat Seminare geschwänzt. Sie hat sich von ihrem Freund zu Hause getrennt. Das war nicht weiter ungewöhnlich, fast alle Mädchen tun das in ihrem ersten Jahr. Bei
ihr war es aber erst sehr spät. Im dritten Jahr, glaube ich. Ich hatte immer gedacht, sie liebt ihn wirklich.«
    Ich schluckte, sagte jedoch nichts.
    »Eben haben Sie«, fuhr Rose Baker fort, »nach Sheila Rogers gefragt.«
    Katy sagte: »Ja.«
    »Sie hatte einen schlechten Einfluss auf Julie.«
    »Inwiefern?«
    »Als Sheila damals zu uns kam …«, Rose legte den Zeigefinger ans Kinn und neigte den Kopf zur Seite, als wäre ihr gerade ein neuer Gedanke gekommen, »… tja, vielleicht war das so ein Schicksalsschlag. Wie die Paparazzi, die dafür verantwortlich sind, dass Dianas Limousine so gerast ist. Oder dieser schreckliche Fahrer, Henri Paul. Wussten Sie, dass er dreimal so viel Alkohol im Blut hatte, wie es erlaubt war?«
    »Sheila und Julie sind Freundinnen geworden«, unterbrach ich sie.
    »Ja.«
    »Sogar Zimmergenossinnen.«
    »Für ein paar Wochen, ja.« Ihre Augen glänzten jetzt feucht. »Ich will ja nicht melodramatisch klingen, aber Sheila Rogers hat etwas Böses in Chi Gamma hineingetragen. Ich hätte sie rauswerfen müssen. Das ist mir jetzt klar. Aber ich hatte keinerlei Beweise für irgendwelche Verfehlungen.«
    »Was hat sie getan?«
    Wieder schüttelte sie den Kopf.
    Ich überlegte kurz. Im dritten College-Jahr hatte Julie mich in Amherst besucht. Andererseits hatte sie mich davon abgehalten, sie in Haverton zu besuchen, was ein bisschen seltsam war. Ich dachte an das letzte Mal, als ich mit Julie zusammen gewesen war. Sie hatte eine kleine Pension in Mystic ausgesucht, einem ruhigen Ausflugsort, anstatt mich auf dem Campus zu
empfangen. Damals hatte ich das romantisch gefunden. Jetzt wusste ich es natürlich besser.
    Drei Wochen danach hatte Julie angerufen und mit mir Schluss gemacht. Aber im Rückblick fiel mir jetzt auf, dass sie mir damals sowohl etwas lethargisch als auch ziemlich seltsam vorgekommen war. Wir waren nur eine Nacht in Mystic gewesen, und selbst als wir uns geliebt hatten, hatte ich den Eindruck gehabt, dass sie etwas distanziert war. Sie hatte das Studium und die viele Paukerei dafür verantwortlich gemacht. Ich habe es ihr damals abgenommen, weil ich – wie ich im Nachhinein feststellen muss – daran glauben wollte.
    Wenn man all diese Informationen zusammenfügte, ergab sich ein ziemlich klares Bild. Sheila war direkt nach dem Missbrauch durch Louis Castman und ihrer Zeit auf der Straße und mit den Drogen hergekommen. Dieses Leben konnte man nicht einfach so hinter sich lassen. Ich nahm an, dass sie noch einiges von der Verrohung mitgeschleppt hatte, die sie dort erlebt hatte. Und eine reine Quelle ist schnell vergiftet. Sheila war am Anfang von Julies drittem College-Jahr hier aufgetaucht, und zur selben Zeit war Julie so sprunghaft geworden.
    Das passte.
    Ich versuchte es anders. »Hat Sheila Rogers einen Abschluss gemacht?«
    »Nein, sie hat ihr Studium auch

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