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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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etwas davon erzähle, würde das ihre Ermittlung behindern.«
    Zu plötzlich, dachte ich. Das kam alles viel zu plötzlich. Ich wurde daraus nicht schlau. Drei junge Frauen waren ermordet worden. Drei Frauen aus derselben Studentinnenverbindung. Hier war ein Schema zu erkennen, so viel war klar. Und wenn es ein Schema gab, hieß das, dass Julies Ermordung keine willkürliche, einzelne Gewalttat war, wie es das FBI uns – und der Welt – immer hatte verkaufen wollen.
    Und das Schlimmste daran war, dass das FBI Bescheid wusste. All die Jahre hatte man uns belogen.
    Die Frage war nun, warum?

34
    Mann, stand ich unter Dampf. Ich wollte in Pistillos Büro stürmen. Ich wollte hineinstürmen, ihn am Revers packen und Antworten fordern. Doch das richtige Leben sieht anders aus. Auf der Route 95 stockte der Verkehr immer wieder an den vielen Baustellen. Auf dem Cross Bronx Expressway standen wir eine Weile im Stau, und auf dem Harlem River Drive kamen wir nur im Schritttempo voran. Ich nahm die Hand kaum von der Hupe und wechselte andauernd die Spur, aber in New York kommt man damit gerade mal auf das Tempo der anderen.
    Katy rief per Handy ihren Freund Ronnie an, der, wie sie sagte, gut mit Computern umgehen konnte. Ronnie suchte im Internet nach Laura Emerson und bestätigte im Prinzip das, was wir schon wussten. Sie war acht Monate vor Julie erdrosselt worden. Ihre Leiche war in der Court Manor Motor Lodge in Fessenden, North Dakota, gefunden worden. Über den Mord war in der lokalen Presse zwei Wochen lang ausführlich, wenn auch recht vage berichtet worden, bis er von den Titelblättern verschwunden und langsam im Nichts verlaufen war. Von einem Sexualverbrechen war nicht die Rede.
    Ich riss das Lenkrad herum, raste die Abfahrt hinunter, überfuhr eine rote Ampel, erreichte den Kinney-Parkplatz am Federal Plaza und parkte. Wir hasteten auf das Gebäude zu. Ich wollte mit hoch erhobenem Kopf hineinmarschieren, doch da gab es leider eine Sicherheitssperre. Wir mussten durch einen Metalldetektor. Mein Schlüsselbund löste ihn aus. Ich leerte meine Taschen. Dann war es der Gürtel. Der Wachmann fuhr mit einem Stab über meinen Körper, der wie ein Vibrator aussah. In Ordnung. Wir konnten weitergehen.
    Als wir Pistillos Büro erreichten, verlangte ich mit größter
Entschlossenheit, sofort zu ihm vorgelassen zu werden. Seine Sekretärin ließ sich nicht einschüchtern. Sie lächelte wie eine Politikergattin, als sie uns freundlich aufforderte, doch Platz zu nehmen. Katy sah mich an und zuckte die Achseln. Ich wollte nicht sitzen. Wie ein Löwe im Käfig ging ich auf und ab, spürte jedoch, wie meine Wut allmählich verrauchte.
    Fünfzehn Minuten später teilte die Sekretärin uns mit, dass der leitende stellvertretende Direktor Joseph Pistillo – sie sagte das genau so, mit vollem Titel – uns jetzt empfangen würde. Sie öffnete die Tür. Ich stürmte ins Büro.
    Pistillo war schon auf dem Posten und stand bereit. Er deutete mit dem Finger auf Katy. »Wer ist das?«
    »Katy Miller«, sagte ich.
    Er wirkte völlig verblüfft. Dann fragte er sie: »Was machen Sie bei ihm?«
    Doch ich ließ mich nicht beirren. »Warum haben Sie nie was über Laura Emerson gesagt?«
    Er wandte sich wieder an mich. »Über wen?«
    »Verarschen Sie mich nicht, Pistillo.«
    Er ließ ein paar Sekunden verstreichen. Dann fragte er: »Wollen wir uns nicht setzen?«
    »Beantworten Sie meine Frage.«
    Er setzte sich, wandte aber den Blick nicht von mir. Sein Schreibtisch glänzte klebrig. Der Zitronenduft von Pledge-Möbelpolitur lag in der Luft.
    »Sie glauben doch nicht, dass Sie hier irgendwelche Forderungen stellen können.«
    »Laura Emerson wurde acht Monate vor Julie erdrosselt.«
    »Und?«
    »Beide waren in derselben Studentinnenverbindung.«
    Pistillo legte die Fingerspitzen aneinander. Er gewann das Wartespielchen.

    Ich sagte: »Wollen Sie mir erzählen, Sie hätten nichts davon gewusst?«
    »Doch, ich wusste davon.«
    »Aber Sie sehen da keine Verbindungen?«
    »Richtig.«
    Er schaute mich weiter unbeirrt an, doch er hatte schließlich auch Übung in solchen Sachen.
    »Das ist doch nicht Ihr Ernst«, sagte ich.
    Jetzt streifte sein Blick über die Wände. Da gab es nicht viel zu sehen. Ein Foto von Präsident Bush, eine US-Flagge und ein paar Urkunden. Mehr nicht. »Wir haben uns das damals natürlich angesehen. Ich glaube, die lokalen Medien haben es auch aufgegriffen. Vielleicht haben sogar die überregionalen Sender

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