Kein Lebenszeichen
berichtet – ich weiß es nicht mehr. Aber im Endeffekt hat niemand eine echte Verbindung gesehen.«
»Das soll doch wohl ein Witz sein.«
»Laura Emerson ist zu einem anderen Zeitpunkt in einem anderen Bundesstaat erdrosselt worden. Es gab keine Hinweise auf eine Vergewaltigung oder sonstigen sexuellen Missbrauch. Ihre Leiche ist in einem Motel gefunden worden. Julie …«, er wandte sich an Katy, »… Ihre Schwester, wurde in ihrem Elternhaus gefunden.«
»Und die Tatsache, dass beide in derselben Studentinnenverbindung waren?«
»Zufall.«
»Sie lügen«, sagte ich.
Das gefiel ihm überhaupt nicht, und sein Gesicht rötete sich ein wenig. »Seien Sie vorsichtig!«, warnte er und zeigte mit seinem massigen Zeigefinger auf mich. »Sie haben hier überhaupt nichts zu sagen.«
»Wollen Sie uns wirklich erzählen, dass Sie zwischen den Morden keinerlei Verbindung gesehen haben?«
»So ist es.«
»Und wie sehen Sie das heute, Pistillo?«
»Wie soll ich das heute sehen?«
Mein Zorn wallte erneut auf. »Sheila Rogers war auch in dieser Studentinnenverbindung. Ist das auch nur Zufall?«
Damit hatte er nicht gerechnet. Er lehnte sich zurück und versuchte kurz, sich zu sammeln. Hatte er das nicht gewusst, oder war er davon ausgegangen, dass ich es nicht herausbekommen würde? »Ich rede nicht über laufende Ermittlungen mit Ihnen.«
»Sie haben es gewusst«, sagte ich langsam. »Und Sie haben auch gewusst, dass mein Bruder unschuldig ist.«
Er schüttelte den Kopf, doch das war nur eine bedeutungslose Geste. »Ich habe – korrigiere, ich weiß nichts dergleichen.«
Ich glaubte ihm nicht. Er hatte von Anfang an gelogen. Inzwischen war ich mir sicher. Er richtete sich auf, als wollte er sich auf meinen nächsten Angriff vorbereiten. Zu meiner eigenen Überraschung sprach ich allerdings plötzlich sehr leise.
»Ist Ihnen klar, was Sie getan haben?«, flüsterte ich. »Der Schaden, den Sie in meiner Familie angerichtet haben. Mein Vater, meine Mutter … ?«
»Das hat nichts mit Ihnen zu tun, Will.«
»Natürlich hat es das!«
»Bitte«, sagte er. »Das gilt für Sie beide, halten Sie sich da raus.«
Ich starrte ihn an. »Nein.«
»Um Ihrer selbst willen. Sie werden mir nicht glauben, aber ich versuche, Sie zu schützen.«
»Wovor?«
Er antwortete nicht.
»Wovor?«, wiederholte ich.
Er schlug mit den Händen auf die Armlehnen, stand auf und sagte: »Dieses Gespräch ist beendet.«
»Was wollen Sie wirklich von meinem Bruder, Pistillo?«
»Ich sage nichts mehr zu irgendwelchen laufenden Ermittlungen.« Er ging zur Tür. Ich versuchte, mich ihm in den Weg zu stellen. Er sah mich böse an und trat um mich herum. »Halten Sie sich aus meinen Ermittlungen raus, sonst lasse ich Sie wegen Behinderung festnehmen.«
»Warum wollen Sie ihm das anhängen?«
Pistillo blieb stehen und drehte sich um. Seine Haltung änderte sich. Vielleicht hatte er sich nur etwas höher aufgerichtet. Seine Augen flackerten kurz. »Wollen Sie die Wahrheit wissen, Will?«
Sein neuer Tonfall gefiel mir ganz und gar nicht. Plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher. »Natürlich.«
»Dann«, sagte er langsam, »fangen wir doch mal bei Ihnen an.«
»Was ist mit mir?«
»Sie waren von Anfang an sicher, dass Ihr Bruder unschuldig ist«, fuhr er fort. »Wie kommen Sie darauf?«
»Weil ich ihn kenne.«
»Wirklich? Wie nahe standen Sie Ken denn kurz vor dem Mord?«
»Wir haben uns immer nahe gestanden.«
»Haben sich oft gesehen, ja?«
Ich trat von einem Fuß auf den anderen. »Man muss sich nicht häufig sehen, wenn man sich wirklich nahe steht.«
»Tatsächlich? Dann erzählen Sie’s uns doch, Will: Wer hat Julie Miller Ihrer Ansicht nach umgebracht?«
»Keine Ahnung.«
»Tja, dann wollen wir mal durchgehen, was Ihrer Meinung nach geschehen sein könnte, ja?« Pistillo schlenderte auf mich zu. Irgendwie war mir die Sache aus der Hand geglitten. Er war in Rage geraten, und ich wusste nicht einmal, warum. Er
baute sich bedrohlich vor mir auf. »Ihr lieber Bruder, dem Sie so nahe standen, hatte in der Mordnacht Geschlechtsverkehr mit Ihrer Exfreundin. Das ist doch Ihre Theorie, stimmt’s, Will?«
Ich wand mich wohl ein wenig. »Ja.«
»Ihre Exfreundin und Ihr Bruder treiben’s also miteinander. Ts, ts. Das muss Sie doch wütend gemacht haben.«
»Was reden Sie denn da?«
»Die Wahrheit, Will. Wir wollten doch bei der Wahrheit bleiben, oder, Will? Dann legen wir die Karten mal auf den Tisch.«
Er sah mich ruhig
Weitere Kostenlose Bücher