Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
Vom Netzwerk:
abgebrochen.«
    »Zur gleichen Zeit wie Julie?«
    »Ich kann gar nicht genau sagen, ob eine von ihnen offiziell abgegangen ist. Julie ist gegen Ende des Studienjahres einfach nicht mehr zum Unterricht gekommen. Sie hat ihr Zimmer kaum noch verlassen und bis mittags geschlafen. Als ich sie darauf angesprochen habe …«, ihre Stimme stockte, »… ist sie ausgezogen.«
    »Wo ist sie hingezogen?«

    »In eine Mietwohnung außerhalb des Campus. Zusammen mit Sheila.«
    »Und wann genau ist Sheila Rogers abgegangen?«
    Rose Baker tat so, als würde sie darüber nachdenken. Ich sage, sie tat so, weil ich merkte, dass sie die Antwort von Anfang an wusste und uns zuliebe etwas schauspielerte. »Ich glaube, Sheila ist abgegangen, nachdem Julie tot war.«
    »Wie lange danach?«
    Sie senkte den Blick. »Ich kann mich nicht erinnern, sie nach dem Mord noch einmal gesehen zu haben.«
    Ich sah Katy an. Auch sie blickte zu Boden. Rose Baker hielt sich die zitternde rechte Hand vor den Mund.
    »Wissen Sie, wohin Sheila gegangen ist?«, fragte ich.
    »Nein. Sie war weg. Alles Weitere hat mich auch nicht interessiert.«
    Sie sah uns nicht mehr an. Ich fand das beunruhigend.
    »Mrs Baker?«
    Sie sah mich immer noch nicht an.
    »Mrs Baker, was ist noch passiert?«
    »Was wollen Sie hier?«, fragte sie.
    »Das haben wir doch gesagt. Wir wollen wissen …«
    »Ja, aber warum jetzt?«
    Katy und ich sahen uns an. Sie nickte. Ich wandte mich an Rose Baker und sagte: »Sheila Rogers ist gestern tot aufgefunden worden. Sie wurde ermordet.«
    Erst dachte ich, sie hätte mich nicht verstanden. Rose Baker sah unverwandt auf eine Lady Di auf schwarzem Samt, eine abstruse und recht furchteinflößende Nachbildung. Dianas Zähne waren blau und ihre Haut sah nach überreichlicher Verwendung von Selbstbräuner aus. Rose starrte auf das Bild, und ich fing wieder an, darüber nachzudenken, was es bedeutete, dass sie keine Bilder von ihrem Mann, ihrer Familie oder den
Mädchen aus der Studentinnenverbindung in der Wohnung hatte – nur die von dieser toten Ausländerin. Und ich überlegte, wie ich mit all den Toten umging, wie ich den Schatten nachjagte, um mich abzulenken und den Schmerz zu vergessen, und ich überlegte, ob es hier vielleicht so ähnlich war.
    »Mrs Baker?«
    »Ist sie auch erwürgt worden wie die anderen?«
    »Nein«, sagte ich. Und dann stockte ich. Ich sah Katy an. Sie hatte es auch gehört. »Sagten Sie die anderen?«
    »Ja.«
    »Welche anderen?«
    »Julie ist erwürgt worden«, sagte sie.
    »Ja.«
    Ihre Schultern sanken herab. Ihr Gesicht wirkte jetzt faltiger, tiefe Furchen gruben sich in die Haut. Unser Besuch hatte irgendwelche alten Geister zum Leben erweckt, die sie längst wieder in ihre Flaschen gestopft oder womöglich unter dem Lady-Di-Kitsch begraben hatte. »Sie wissen nichts von Laura Emerson, oder?«
    Wieder sahen Katy und ich uns an. »Nein«, sagte ich.
    Rose Bakers Blick schoss wieder unruhig im Zimmer hin und her. »Sind Sie sicher, dass Sie keinen Tee wollen?«
    »Bitte, Mrs Baker. Wer ist Laura Emerson?«
    Sie stand auf und hinkte zum Kamin. Sie streckte die Hand aus und strich über eine Keramikbüste von Lady Di. »Sie war auch ein Mitglied von Chi Gamma«, sagte sie. »Laura war ein Jahr unter Julie.«
    »Was ist mit ihr passiert?«, fragte ich.
    Sie entdeckte einen kleinen Schmutzfleck auf der Keramikbüste und kratzte ihn mit dem Fingernagel ab. »Laura wurde acht Monate vor Julie in der Nähe ihres Elternhauses in North Dakota tot aufgefunden. Sie war auch erwürgt worden.«

    Eisige Hände fassten mich an den Beinen und zogen mich unter Wasser. Katys Gesicht war weiß. Mit einem Achselzucken gab sie mir zu verstehen, dass ihr das ebenfalls neu war.
    »Wurde der Mörder gefasst?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte Rose Baker. »Sie haben ihn nie gefunden.«
    Ich versuchte, mich zu konzentrieren, die neuen Fakten einzuordnen, zu verstehen, was das bedeutete. »Mrs Baker, hat die Polizei nach Julies Ermordung mit Ihnen gesprochen?«
    »Die Polizei nicht«, sagte sie.
    »Aber irgendjemand war bei Ihnen?«
    Sie nickte. »Zwei Männer vom FBI.«
    »Erinnern Sie sich noch an ihre Namen?«
    »Nein.«
    »Haben sie Sie nach Laura Emerson gefragt?«
    »Nein, aber ich habe ihnen trotzdem von ihr erzählt.«
    »Was haben Sie ihnen erzählt?«
    »Ich habe sie darauf hingewiesen, dass noch ein Mädchen erwürgt worden war.«
    »Wie haben sie darauf reagiert?«
    »Sie haben gesagt, ich soll das für mich behalten. Wenn ich

Weitere Kostenlose Bücher