Kein Lebenszeichen
habe ja gesagt.«
»Du hast ihm grünes Licht gegeben«, sagte sie.
»Ja.«
»Aber dann bist du ihm gefolgt.«
»Du verstehst das nicht«, sagte ich.
»Doch, ich verstehe es«, sagte Katy. »Wir alle machen so was.«
36
Ich fiel in einen so tiefen Schlaf, dass ich ihn nicht kommen hörte.
Ich hatte Katy noch frisches Bettzeug herausgelegt, nachgesehen, ob sie auf der Couch alles hatte, was sie für die Nacht brauchte, hatte geduscht und versucht, ein bisschen zu lesen. Doch die Worte verschwammen ein ums andere Mal in einem trüben Nebel. Ich las denselben Absatz immer wieder, nur um ihn sofort wieder zu vergessen. Ich loggte mich ins Internet ein und surfte eine Weile. Ich machte ein paar Liegestütze, Sit-ups und Yoga-Übungen, die Squares mir beigebracht hatte. Ich wollte nicht schlafen. Ich wollte wach bleiben, damit die Trauer mich nicht wieder unvorbereitet erwischte.
Lange hielt ich mich ziemlich gut, aber irgendwann trieb der Schlaf mich doch in eine Ecke und übermannte mich. Ich lag völlig weggetreten in totaler, traumloser Finsternis, als ich einen Ruck an meiner Hand spürte und etwas klicken hörte. Noch im Schlaf, versuchte ich, die Hand wieder an mich zu ziehen, aber sie hing fest.
Etwas Metallisches drückte auf mein Handgelenk.
Meine Augenlider öffneten sich flatternd, als er auf mich
sprang. Er traf hart auf und nahm mir die Luft. Ich würgte, als der Unbekannte sich rittlings auf meine Brust setzte. Mit den Knien drückte er meine Schultern in die Matratze. Bevor ich mich ernsthaft zur Wehr setzen konnte, hatte der Angreifer mir die freie Hand über dem Kopf zur Seite gerissen.
Dieses Mal hörte ich kein Klicken, spürte aber, wie sich das Metall um meine Haut legte.
Er hatte meine Hände mit Handschellen ans Bett gefesselt.
Mir gerann das Blut in den Adern. Einen Moment lang schaltete ich einfach ab, wie ich es bei körperlichen Auseinandersetzungen immer getan hatte. Ich öffnete den Mund, um zu schreien oder wenigstens etwas zu sagen. Der Angreifer ergriff meinen Hinterkopf und zog ihn nach vorne. Dann riss er ein Stück breites Paketband von einer Rolle und klebte es mir über den Mund. Er rollte noch mehr davon ab und wickelte es zehn bis fünfzehn Mal um meinen Kopf, als wollte er ihn vollkommen verpacken.
Ich konnte nicht sprechen oder schreien. Das Atmen fiel mir schwer – ich musste durch die gebrochene Nase Luft holen. Das tat höllisch weh. Meine Schultern schmerzten unter seinem Gewicht. Ich versuchte, mich zu wehren, doch es war völlig aussichtslos. Ich bockte, um ihn abzuwerfen. Noch aussichtsloser. Ich wollte ihn fragen, was er jetzt, wo ich hilflos war, mit mir vorhatte.
Und in diesem Moment fiel mir ein, dass Katy nebenan lag.
Es war dunkel im Schlafzimmer. Ich sah meinen Angreifer nur als Schatten. Er trug eine Art Maske, etwas Dunkles, das ich nicht näher erkennen konnte. Ich bekam fast keine Luft. Ich schnaubte vor Schmerzen.
Er hörte auf, mir Klebeband um den Kopf zu wickeln. Dann sprang er von mir herunter, und ich musste entsetzt und hilflos mit ansehen, wie er zur Schlafzimmertür ging, sie öffnete, ins
Wohnzimmer trat, wo Katy auf dem Sofa schlief, und die Tür hinter sich schloss.
Meine Augen quollen fast aus den Höhlen. Ich versuchte zu schreien, aber das Isolierband erstickte jedes Geräusch. Ich bockte wie ein Pferd. Ich schlug wild mit den Beinen aus und drehte mich um die eigene Achse. Es half alles nichts.
Dann blieb ich ruhig liegen und horchte. Zuerst hörte ich nichts. Absolute Stille.
Dann schrie Katy auf.
Herrgott. Wieder bäumte ich mich auf. Es war ein kurzer Schrei gewesen, der mittendrin abbrach, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Jetzt packte mich die Verzweiflung. Ich wurde völlig panisch. Ich riss an den Handschellen. Ich warf den Kopf nach links und rechts. Nichts.
Katy schrie noch einmal. Dieses Mal war es leiser – das Stöhnen eines waidwunden Tiers. Außer mir würde es niemand hören. Und selbst wenn, würde niemand reagieren. Nicht in New York. Nicht zu dieser nächtlichen Stunde. Und selbst wenn – selbst wenn jemand die Polizei rief und die sich beeilte, jemanden vorbeizuschicken, um Katy zu retten, wäre es zu spät.
Da rastete ich aus.
Mein klares Denken ging einfach in Stücke. Ich drehte durch. Ich warf mich im Bett herum, als hätte ich einen Anfall. Meine Nase schmerzte höllisch. Ich schluckte ein paar Fasern des Isolierbandes. Trotzdem kämpfte ich weiter.
Es half alles nichts.
Herrgott.
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