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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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und meine Gelenke brannten. Ich ignorierte es, zog das Bett zurück und rammte es noch einmal gegen die Tür. Dann noch einmal. Das Isolierband dämpfte meine Schreie, so dass nur ich sie hören konnte. Beim dritten Versuch riss ich besonders kräftig an den Handschellen, als das Bett gegen die Wand knallte.
    Das Bettgestell gab nach.
    Ich war frei.
    Ich schob das Bett von der Tür weg. Dann versuchte ich, das Isolierband von meinem Mund zu wickeln, aber das dauerte zu lange. Ich ergriff den Türknauf und drehte ihn. Ich riss die Tür auf und stürzte mich in die Dunkelheit.
    Katy lag auf dem Boden.
    Ihre Augen waren geschlossen. Ihr Körper war schlaff. Der Mann saß auf ihr. Er hatte ihr die Hände um den Hals gelegt.

    Er würgte sie.
    Ohne Zögern ging ich auf ihn los. Es schien ewig zu dauern, bis ich ihn erreichte, fast als würde ich durch Sirup laufen. Er sah mich kommen – er hatte reichlich Zeit, sich vorzubereiten, aber wenigstens musste er ihren Hals loslassen. Er drehte sich zu mir um. Ich sah immer noch nur eine schwarze Silhouette. Er packte mich an den Schultern, stemmte mir einen Fuß in den Bauch und rollte sich einfach nach hinten.
    Ich flog durch den Raum und ruderte mit den Armen. Aber wieder hatte ich Glück. Dachte ich zumindest. Ich landete auf dem weichen Lesesessel. Der schwankte kurz. Dann kippte er nach hinten um. Mein Kopf schlug erst auf den Beistelltisch und knallte dann auf den Boden.
    Ich kämpfte gegen die Benommenheit an und versuchte, auf die Knie zu kommen. Als ich zum zweiten Angriff auf die Beine kam, sah ich etwas, das mich erschreckte, wie mich noch nie etwas zuvor erschreckt hatte.
    Der schwarz gekleidete Eindringling hatte sich ebenfalls erhoben. Er hatte ein Messer in der Hand. Und damit ging er auf Katy zu.
    Alles verlangsamte sich. Das Folgende spielte sich innerhalb von nur ein oder zwei Sekunden ab. In meinem Kopf jedoch schien es wie in einer anderen Zeitdimension stattzufinden. Das ist so mit der Zeit. Sie ist wirklich relativ. Manche Momente fliegen nur so dahin. Andere kriechen wie in Zeitlupe.
    Ich war zu weit weg, um ihn zu erreichen. Das war mir klar. Obwohl ich so benommen war, weil ich auf den Tisch …
    Der Tisch.
    Auf den ich Squares’ Pistole gelegt hatte.
    Reichte die Zeit, danach zu greifen, mich umzudrehen, zu zielen und zu schießen? Immer noch sah ich Katy und ihren Angreifer an. Nein. Dafür reichte sie nicht. Das war mir sofort klar.
    Der Mann beugte sich vor und ergriff Katys Haare.
    Als ich mich umdrehte, um nach der Waffe zu greifen, riss ich am Isolierband. Es rutschte so weit runter, dass ich rufen konnte: »Keine Bewegung, oder ich schieße.«
    Er drehte sich zu mir um. Ich hatte mich auf den Bauch geworfen und kroch wie ein Infanterist zum Tisch. Er sah, dass ich unbewaffnet war, und wandte sich von mir ab, um sein Werk zu vollenden. Ich griff mir die Pistole. Keine Zeit zum Zielen. Ich drückte ab.
    Der Mann zuckte zusammen.
    Das verschaffte mir Zeit. Ich schwang die Waffe herum und drückte noch einmal ab. Der Mann rollte sich wie ein Turner zurück. Ich konnte ihn kaum noch sehen, er war nur ein Schatten. Ich zielte auf die dunkle Fläche und feuerte immer weiter. Wie viele Kugeln waren in dem Ding? Wie oft hatte ich schon geschossen?
    Er zuckte zurück, lief jedoch weiter. Hatte ich ihn erwischt?
    Der Mann sprang zur Tür. Ich rief, er solle stehen bleiben. Er lief weiter. Ich überlegte, ob ich ihn in den Rücken schießen sollte, aber irgendetwas, vielleicht ein Anflug von Menschlichkeit, hielt mich davon ab. Er war schon aus der Tür. Und ich hatte andere Sorgen.
    Ich sah auf Katy hinab. Sie rührte sich nicht.

37
    Ein weiterer Polizist – nach meiner Zählung der fünfte – wollte meine Geschichte hören.
    »Ich will erst wissen, wie’s ihr geht«, sagte ich.
    Der Arzt war mit mir fertig. In Filmen verteidigen die Ärzte ihre Patienten immer. Sie sagen den Cops, dass sie sie jetzt nicht
verhören können, dass sie Ruhe brauchen. Meinem Arzt, einem Notaufnahme-Assistenzarzt, der vermutlich aus Pakistan stammte, waren solche Anwandlungen fremd. Er renkte mir die Schulter ein, während sie anfingen, mich in die Mangel zu nehmen. Er goss Jod auf meine aufgeschürften Handgelenke. Er fummelte an meiner Nase herum. Er holte eine Eisensäge – wozu sie die im Krankenhaus brauchen, will ich gar nicht wissen  – und sägte die Handschellen auf, während sie mich weiter ausquetschten. Ich trug immer noch Boxershorts und das

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