Kein Lebenszeichen
Pyjama-Oberteil. Für meine nackten Füße hatten sie mir Krankenhaus-Papierschlappen gegeben.
»Beantworten Sie nur meine Fragen«, sagte der Cop.
Das ging jetzt schon seit zwei Stunden so. Das Adrenalin war verbraucht, und ich spürte die Schmerzen allmählich bis in die Knochen. Ich hatte die Schnauze voll.
»Ja, okay, ich geb auf«, sagte ich. »Erst hab ich mir an beiden Hände Handschellen angelegt, dann ein paar Möbel demoliert, mehrere Kugeln in die Wände geschossen, Katy in meiner eigenen Wohnung fast erwürgt und die Polizei gerufen, damit sie mich festnimmt. Ich gestehe alles.«
»So könnte es gewesen sein«, sagte der Polizist. Er war ein kräftig gebauter Mann mit einem wächsernen Schnurrbart, bei dem ich an Barbershop-Quartette denken musste. Er hatte sich auch vorgestellt, aber nach dem zweiten Cop hatte ich mir keine Namen mehr gemerkt.
»Wie bitte?«
»Das ist vielleicht nur ein Trick.«
»Ich habe mir die Schulter ausgerenkt, die Hände aufgerissen und mein Bett kaputtgemacht, um den Verdacht von mir abzulenken?«
Er reagierte mit einem klassischen Polizisten-Achselzucken. »Hey, ich hatte mal ’nen Typen, der hat sich den Schwanz abgeschnitten,
damit wir nicht glauben, dass er seine Freundin umgebracht hat. Hat erzählt, ein Haufen Schwarzer hätte ihn angegriffen. Er wollte sich wohl nur ein bisschen anritzen da unten, ist aber abgerutscht, und weg war er.«
»Das ist eine faszinierende Geschichte«, sagte ich.
»Könnte hier auch so gewesen sein.«
»Mein Penis ist in Ordnung. Danke der Nachfrage.«
»Sie haben gesagt, so ein Kerl wäre bei Ihnen eingebrochen. Die Nachbarn haben Schüsse gehört.«
»Ja.«
Er sah mich misstrauisch an. »Und wie kommt es, dass die Nachbarn nicht gesehen haben, wie jemand das Haus verlassen hat?«
»Weil – aber das ist wirklich nur so ein Schuss ins Blaue – es zwei Uhr morgens war?«
Ich saß noch immer auf dem Untersuchungstisch. Meine Beine hingen herab. Sie schliefen langsam ein. Ich sprang herunter.
»Hey, wo wollen Sie hin?«, fragte der Cop.
»Ich will Katy sehen.«
»Das können Sie vergessen.«
Der Schnurrbart zuckte. »Ihre Eltern sind bei ihr.«
Er musterte mein Gesicht, wartete auf eine Reaktion. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen.
Der Schnurrbart zuckte. »Ihr Vater hat sich ziemlich unmissverständlich über Sie geäußert.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Er glaubt, Sie waren es.«
»Wozu denn?«
»Sie meinen, aus welchem Motiv?«
»Nein, ich meine den Zweck. Einen Grund. Glauben Sie, dass ich Katy umbringen wollte?«
Er verschränkte die Arme und zuckte die Achseln. »Wäre durchaus möglich.«
»Und warum hab ich die Polizei gerufen, als sie noch am Leben war?«, fragte ich. »Ich hab mir diesen großartigen Trick ausgedacht, ja? Wieso hab ich sie dann nicht umgebracht?«
»Es ist gar nicht so einfach, einen Menschen zu erwürgen«, dozierte er. »Vielleicht haben Sie sie für tot gehalten.«
»Sie wissen doch bestimmt, wie idiotisch das klingt.«
Die Tür hinter ihm wurde geöffnet, und Pistillo trat ins Krankenzimmer. Er sah mich schwermütig an. Ich schloss die Augen und massierte mit Daumen und Zeigefinger meine Nasenwurzel. Pistillo hatte einen der Cops dabei, die mich bereits verhört hatten. Dieser gab seinem schnurrbärtigen Kumpan ein Zeichen, ihm zu folgen. Der wirkte nicht sehr glücklich über die Unterbrechung, verließ aber das Zimmer. Ich war mit Pistillo allein.
Er sagte erst einmal gar nichts. Er sah sich im Zimmer um, ging zum Regal, betrachte das Glasgefäß mit Wattebällchen, die Holzspatel und den Abfalleimer für infektiöses Material. Normalerweise riechen Krankenhauszimmer nach Desinfektionsmitteln, dieses jedoch stank nach Parfüm für männliche Flugbegleiter. Ich wusste nicht, ob das von einem Arzt oder einem Cop stammte, sah aber, wie Pistillo angewidert die Nase rümpfte. Ich hatte mich schon daran gewöhnt.
»Was ist passiert?«, fragte er.
»Haben Ihre Freunde vom NYPD Sie nicht eingeweiht?«
»Ich habe gesagt, dass ich erst persönlich mit Ihnen sprechen will«, sagte Pistillo. »Bevor man Sie einbuchtet.«
»Erst will ich wissen, wie es Katy geht.«
Er dachte ein paar Sekunden darüber nach. »Ihr Hals und ihre Stimmbänder sind ziemlich mitgenommen, aber das wird wieder.«
Ich schloss die Augen und atmete erleichtert durch.
»Reden Sie«, befahl Pistillo.
Ich erzählte ihm, was passiert war. Er hörte ruhig zu, bis ich zu der Stelle kam, wo sie
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