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Kein Lebenszeichen

Kein Lebenszeichen

Titel: Kein Lebenszeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Freilassung gegen Kaution nicht stattzugeben. Ich denke, der Richter wird sich der Ansicht des Staatsanwalts anschließen.«
    Ich wollte etwas sagen, doch er hob die Hand. »Das können Sie sich schenken, denn – und das wird Ihnen nicht gefallen – es interessiert mich nicht, ob Sie’s waren oder nicht. Ich finde genug Beweise, um Sie verurteilen zu lassen. Und wenn ich keine finde, mache ich mir welche. Nur zu, erzählen Sie Ihrem Anwalt von diesem Gespräch. Ich werde einfach alles abstreiten. Sie sind ein Mordverdächtiger, der seinem Bruder, einem Mörder, seit elf Jahren hilft, sich vor der Polizei versteckt zu halten. Ich bin einer der angesehensten Gesetzeshüter des Landes. Wem werden sie wohl glauben?«
    Ich sah ihn an. »Warum tun Sie das?«
    »Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen sich da raushalten.«
    »Was hätten Sie denn an meiner Stelle getan? Wenn es Ihr Bruder gewesen wäre?«
    »Darum geht’s nicht. Sie haben nicht auf mich gehört. Und jetzt ist Ihre Freundin tot, und Katy Miller ist gerade noch mit dem Leben davongekommen.«
    »Ich habe beiden nichts getan.«
    »Doch, das haben Sie. Durch Ihr Verhalten haben Sie das Ganze verursacht. Glauben Sie, das wäre passiert, wenn Sie auf mich gehört hätten?«
    Seine Worte gingen mir durch Mark und Bein, aber ich gab nicht klein bei. »Und was ist mit Ihnen, Pistillo? Warum sind Sie den Parallelen zum Mord an Laura Emerson nicht nachgegangen …«
    »Hey, ich bin nicht hier, um Ihnen Rede und Antwort zu stehen. Sie kommen noch heute Nacht in den Knast. Und ich sorge schon dafür, dass Sie verurteilt werden.«
    Er wollte zur Tür gehen.

    »Pistillo?« Als er sich umdrehte, fragte ich: »Wonach suchen Sie wirklich?«
    Er blieb stehen und beugte sich so weit vor, dass seine Lippen nur wenige Zentimeter von meinem Ohr entfernt waren. Dann flüsterte er: »Fragen Sie Ihren Bruder« und verschwand.

38
    Ich verbrachte die Nacht in einer Arrestzelle der Polizeiwache Midtown South an der West 35th Street. Die Zelle stank nach Urin und Erbrochenem und dem Schweiß Betrunkener mit seinem sauren Wodka-Aroma. Im Vergleich zum Flugbegleiter-Parfüm war es allerdings ein Fortschritt. Ich hatte zwei Zellengenossen. Einen Transvestiten, der sich in Frauenkleidern prostituiert hatte, viel weinte und nicht recht wusste, ob er die Blechtoilette im Sitzen oder im Stehen benutzen sollte. Der andere war schwarz und schlief die ganze Zeit. Ich habe keine Knastgeschichte über Schlägereien, Raub oder Vergewaltigungen zu erzählen. Die Nacht verlief absolut ereignislos.
    Der zuständige Beamte ließ Bruce Springsteens CD Born to Run laufen. Es gab also etwas Tröstliches. Wie jeder anständige Junge aus New Jersey kannte ich die Texte auswendig. Es mag seltsam klingen, aber ich musste immer an Ken denken, wenn ich die Power-Balladen vom Boss hörte. Wir stammten nicht aus der Arbeiterklasse, hatten auch nicht allzu sehr unter schweren Zeiten gelitten, und keiner von uns hatte je auf schnelle Autos gestanden oder dauernd an der Küste herumgehangen (in New Jersey spricht man immer von der Küste, nicht vom Strand) – das galt allerdings, wie ich bei einem der letzten Konzerte der E-Street-Band festgestellt hatte, vermutlich für den Großteil seiner Fans –, aber seine Geschichten von der
Mühsal, dem Streben nach Freiheit und von Menschen, die versuchten, ihren Fesseln zu entkommen, die etwas Besseres suchten und allen Mut zusammennahmen, um aus ihrer kleinen Welt auszubrechen, das traf nicht nur einen Nerv bei mir, sondern erinnerte mich auch an meinen Bruder. Und das war auch schon vor dem Mord so gewesen.
    Aber heute Nacht, als Bruce sang, sie sei »so pretty you get lost in the stars«, dachte ich an Sheila. Und der Schmerz kam wieder.
    Das eine Telefongespräch, das mir zustand, hatte ich mit Squares geführt. Ich hatte ihn aufgeweckt. Als ich ihm erzählte, was passiert war, sagte er: »Das ist ja der Hammer.« Dann hatte er versprochen, mir einen guten Anwalt zu suchen und so viel wie möglich über Katys Zustand in Erfahrung zu bringen.
    »Ach ja, die Überwachungsvideos vom QuickGo«, sagte er noch.
    »Was ist damit?«
    »Deine Idee hat funktioniert. Wir können sie morgen angucken.«
    »Wenn die mich hier rauslassen.«
    »Ja, richtig«, sagte Squares. Dann ergänzte er: »Wenn die dich nicht gegen Kaution rauslassen, das wär echt scheiße.«
    Am Morgen brachten die Cops mich zur zentralen Verwahrstelle an der Centre Street 100. Dort übernahm die

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