Kein Lord wie jeder andere (German Edition)
Brust.
Beth hörte Harts Aufschrei, sah, wie Mrs Palmers Beine nachgaben und sie die Wand hinunterrutschte. Hart fing sie auf.
Mrs Palmer sah zu ihm auf. »Ich liebe dich.«
»Sprich jetzt nicht«, sagte Hart mit sanfter Stimme. »Ich hole einen Arzt.«
Sie schüttelte den Kopf, lächelte schwach. »Um mich ist schon alles Nacht. Ich kann dein Gesicht nicht mehr sehen.« Blindlings fasste sie nach ihm. »Halt mich, Hart.«
»Ich bin ja bei dir.« Hart presste sie an sich, küsste ihr Haar. »Ich lass dich nicht allein, Liebes.«
Ian sah nicht einmal hin. Mit geschlossenen Augen wiegte er Beth im Arm. Beth wollte sagen: »Ich wusste, dass du mich findest«, aber Dunkelheit umfing sie, und ihre Lippen wollten nicht mehr. Und als Mrs Palmer den letzten Atemzug tat, sank Beth in tiefe Bewusstlosigkeit.
Ian nutzte Harts prächtige Kutsche, um Beth in die herzogliche Villa am Grosvenor Square bringen zu lassen. In Harts Villa war immer ausreichend Personal vorhanden, immer alles vorbereitet, falls der Herzog einmal unvorhergesehene Geschäfte in der Stadt zu erledigen hatte. Ian trug Beth ins Haus, und die Dienerschaft rannte umher, folgte seinen hektischen Befehlen.
Beth wurde in das Schlafgemach gebracht, das immer für Ian bereitstand. Sofort kam ein Arzt, säuberte und nähte ihre Wunde, doch sie wollte nicht aufwachen.
Cameron war mit Hart und Inspektor Fellows in der Kirche verblieben, während der Inspektor alles Nötige veranlasste und versuchte, sich einen Reim auf die Geschehnisse zu machen. Ian kümmerte es nicht, was im Einzelnen vorgefallen war. Hauptsache, es war vorbei; Mrs Palmer war tot, und Beth wäre beinahe umgekommen bei dem Versuch, alles richtigzustellen. Fellows konnte seinethalben nun tun und lassen, was er wollte.
Beth fieberte, war schweißgebadet. Obwohl Ian den Schnitt ständig auswusch, entzündete sich die Wunde und schwoll rot an.
Ian wich die ganze Nacht nicht von ihrer Seite. Er hörte die Brüder zurückkehren, Camerons raues Organ und Harts leise Entgegnungen, die unterwürfigen Stimmen der Diener. Sanft presste Ian einen kalten Lappen auf Beths Stirn und wünschte, er könnte allein mit Willenskraft ihr Fieber senken.
Die Tür ging auf, und er vernahm Harts schwere Schritte, blickte aber nicht auf.
»Wie geht es ihr?«, fragte sein Bruder leise.
»Sie liegt im Sterben.«
Hart trat ans Bett und sah auf die reglose Beth. Sein Gesicht war bleich und angespannt.
Beth glühte. Zwischendurch warf sie stöhnend den Kopf hin und her. Jedes Mal, wenn die Wunde die Laken berührte, jammerte sie auf, als bettele sie um Erlösung.
Ian funkelte Hart böse an. »Du und deine Weiber. Hast sie wie Tiere gezähmt, und nun haben sie meine Beth umgebracht.«
Hart zuckte zusammen. »Verdammt, Ian.«
»Du hast geglaubt, Beth wäre nur auf mein Geld oder unseren Namen aus. Warum sollte sie?«
»Am Anfang habe ich das geglaubt, ja. Aber schon längst nicht mehr.«
»Zu spät. Sie wollte nie etwas für sich, hat nichts von uns verlangt. Mit solchen Menschen weißt du gar nicht umzugehen.«
»Ich will nicht, dass sie stirbt.«
Hart legte Ian die Hand auf die Schulter, doch Ian schüttelte sie ab. »Du hast mich als Spion in das Holborn-Haus geschleust. Du hast mich benutzt, wie du mich für alle deine Intrigen benutzt. Du hast mich aus der Anstalt geholt, weil du mich gebraucht hast, und nicht, weil du mich nicht für verrückt hieltest. Du hast meine Dienste gebraucht.«
»So ganz stimmt das aber nicht«, presste Hart hervor.
»Aber beinahe. Du hast mich für so verrückt gehalten, dass du mir den Mord an Sally zugetraut hast. Ich habe immer getan, was du wolltest, weil ich dir dankbar war und dich beschützen wollte. Bewundert und verehrt habe ich dich, wie deine gezähmten Weiber.«
Ian atmete schwer, strich Beth dennoch sanft das Haar aus dem Gesicht.
»Um Gottes willen, Ian.«
»Ich werde dir nicht länger gehorchen. Du hast Beth auf dem Gewissen, du und dein Hochmut.«
Hart rührte sich nicht, hielt die Augen gesenkt. »Ich weiß. Lass mich ihr helfen.«
»Du kannst ihr nicht helfen. Für sie kommt jede Hilfe zu spät.« Ian suchte Harts Blick, doch zum ersten Mal konnte sein Bruder ihm nicht in die Augen sehen.
»Verschwinde«, sagte Ian. »Ich will dich nicht dabeihaben, wenn ich ihr Lebwohl sagen muss.«
Eine Weile stand Hart noch unbewegt da, dann drehte er sich um und ging wortlos aus dem Zimmer.
In der darauffolgenden Woche verließ Ian das Schlafgemach nur, um nach
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