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Kein Lord wie jeder andere (German Edition)

Kein Lord wie jeder andere (German Edition)

Titel: Kein Lord wie jeder andere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Ashley
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Zimmer wie gewünscht aufgezeichnet und alle darin befindlichen Dinge aufgeschrieben. War gar nicht so leicht mit den Ordnungshütern im Nacken!«
    Ian warf einen Blick auf die Zeichnung und die Liste. »Ist das etwa alles?«
    »Ist das etwa alles?«, wiederholte Curry indigniert. »Ich schlepp mich in Zügen und miefigen Kutschen durch halb Europa, um Augen und Ohren für ihn offen zu halten, und er sagt bloß: ›Ist das etwa alles?‹«
    »Was hast du sonst noch herausgefunden?«
    »Ein bisschen Anteilnahme könnte nicht schaden, Sir. Was ich unter Ihnen so alles erdulden muss! Dann bin ich ganz bis nach Rom gereist. Er ist seit über einem Monat dort, hat die Stadt nie verlassen.«
    »Er hat dich doch nicht gesehen?«, fragte Ian scharf.
    »Nein, dafür habe ich schon gesorgt. Fast hätte er mich entdeckt, aber ich bin ihm noch entwischt. Das wär nicht gut, oder?«
    Ian blickte ins Kaminfeuer und rieb sich die Schläfen. Diese verfluchten Kopfschmerzen. Er wusste, dass sich ein Mensch sehr wohl in Italien aufhalten und einen anderen dafür bezahlen konnte, in London einen Auftrag zu erledigen, schließlich tat er selbst nichts anderes mit Curry.
    Ian wollte die Wahrheit erfahren, doch die Wahrheit war sehr gefährlich. Nachdem er sich die Schläfen einige Zeit massiert hatte, ließ der Schmerz etwas nach. An Beths Augen zu denken half dabei.
    »Beth hat geglaubt, du arbeitest für Scotland Yard«, sagte Ian in Gedanken.
    »Beth?«
    »Mrs Ackerley.«
    »Ach, die Verlobte von Lyndon Mather. Ehemalige Verlobte, sollte ich sagen, nachdem Sie noch rechtzeitig eingegriffen haben. Und Sie nennen sie schon Beth ? Und wie nennt sie Sie?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Aha.« Curry nickte weise. »Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Sir, dann halten Sie sich besser an die Gunstgewerblerinnen. Von denen wimmelt es doch nur so in Paris. Bei einer Hure wissen Sie immer, woran Sie sind.«
    Curry hatte recht. Die Kurtisanen liebten Ian, und um weibliche Gesellschaft musste er sich nie sorgen. Doch selbst die charmantesten Pariser Dirnen konnten sein Verlangen nach Beth nicht stillen. Wieder dachte er an ihre weichen Lippen und wie zart sie bei seinem Kuss geseufzt hatte. Wenn er Beths Wärme jede Nacht im Bett neben sich spüren könnte, bräuchte er sich nicht länger vor Migräneanfällen und Albträumen zu fürchten, davon war er überzeugt.
    Er musste sie einfach in seinem Bett haben, selbst wenn er dafür Curry, Isabella, Mac und halb Paris einspannen musste.
    Seit fünf Tagen logierte Beth bereits bei Lady Isabella MacKenzie. Sie saß in ihrem Boudoir und schrieb Briefe, als sie hörte, dass unten im Haus jemand auf dem Klavier spielte.
    Da es noch früh am Morgen war, konnte es nicht Isabella sein, die nie vor ein Uhr mittags aufstand: Chérie, es ist ganz unmöglich, vorher die Augen zu öffnen. Niemand hatte Beth einen Besucher gemeldet, doch sie konnte sich kaum vorstellen, dass ein Dieb in den Salon eindringen würde, um eine Klaviersonate von Chopin zum Besten zu geben.
    Beth schob den halbfertigen Brief in eine Schublade und ging die Treppe hinunter. Sie genoss das Sonnenlicht, das durch die offenen Fensterläden und Vorhänge hereinschien. Bei Mrs Barrington waren die Vorhänge immer zugezogen und die Gaslampen weit heruntergedreht gewesen, sodass sich Beth und die Dienerschaft bei Tag und bei Nacht durch ein Halbdunkel hatten kämpfen müssen.
    Die Flügeltüren zum Salon standen spaltbreit offen und reine, süße Klaviermusik drang daraus hervor. Beth stieß die Türen auf und blieb auf der Schwelle stehen.
    Ian MacKenzie saß an Isabellas glänzendem Pianoforte und starrte auf den leeren Notenständer vor sich. Seine breiten Schultern bewegten sich im Takt seiner Finger, die sicher über die Tasten glitten, mit dem Fuß bediente er das Pedal. Das Sonnenlicht fing sich in seinem Haar und ließ es rot aufstrahlen.
    Ich kann Ihnen das Stück Note für Note vorspielen , hatte er in der Oper gesagt. Aber die Seele kann ich nicht einfangen.
    Auch wenn er selbst glaubte, die Seele dieser Musik nicht einfangen zu können, zog sie Beth wie an unsichtbaren Fäden zu ihm hin. Als sie durch den Salon auf das Klavier zuschritt, umhüllten sie die süßen Töne auf wundersame Weise.
    Die Melodie schwang sich noch einmal zu einem Lauf in die hohen Sphären der Klaviatur auf, bevor sie mit einem vollen tiefen Akkord endete. Ian ließ die Hände auf den Tasten ruhen, bis der letzte Ton verklang.
    Beth klatschte in die Hände.

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