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Kein Lord wie jeder andere (German Edition)

Kein Lord wie jeder andere (German Edition)

Titel: Kein Lord wie jeder andere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Ashley
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Herkunft hinwegsehen, wenn sie gut und zuverlässig arbeitete. Oder sie würde kleine Geschichten und Artikel für die Zeitung schreiben. Beth kannte sich in diesem Gewerbe zwar nicht aus, aber einen Versuch schien es ihr wert.
    Und eines Tages dann, als sie mal wieder eifrig auf die Tasten einhieb, stattete der neue Pfarrer dem Armenhaus einen Besuch ab. Beth hatte gerade eine klemmende Taste lauthals verflucht, und Thomas Ackerley hatte sie angesehen und gelacht.
    Eine Träne lief Beth über die Wange. Rasch legte sie die Hand auf Ians, und er brach sein Klavierspiel ab.
    »Gefällt es Ihnen nicht?«, fragte er tonlos.
    »Schon … aber könnten Sie vielleicht etwas Fröhlicheres spielen?« Flüchtig wie ein Sonnenstrahl streifte sein Blick über sie. »Ich kann nicht beurteilen, ob ein Stück fröhlich oder traurig ist, ich kenne nur die Töne.«
    Beth schnürte es die Kehle zusammen. Wenn sie sich nicht vorsah, würde sie gleich vor ihm in Tränen ausbrechen. Sie drehte sich zum Notenschränkchen um und blätterte geschwind durch die Notenblätter, bis sie etwas gefunden hatte, das sie schmunzeln machte.
    »Was halten Sie denn von diesem Stück?« Sie stellte das Notenheft auf den Klavierständer. »Mrs Barrington hat die Oper gehasst. Ihr war es unbegreiflich, dass man stundenlang dabei zuhören kann, wie sich jemand in einer fremden Sprache die Seele aus dem Leib schreit. Doch Gilbert und Sullivan hat sie geliebt, weil sie deren Texte verstanden hat.«
    Beth schlug ein Lied auf, bei dem Mrs Barrington sich immer besonders amüsiert hatte. Wieder und wieder hatte Beth es ihr vorspielen müssen. Damals war Beth den schwungvollen Rhythmus und den absurden Text bald leid gewesen, doch in diesem Moment war sie Mrs Barrington für ihren Musikgeschmack dankbar.
    Ausdruckslos schaute Ian auf die Seite. »Ich kann keine Noten lesen.«
    Beth hatte sich über ihn gebeugt, und die kleine Schmuckrosette an ihrem Dekolleté befand sich auf Höhe seiner Augen. »Nein?«
    Ian betrachtete die Rosette eingehend. »Ich muss es hören. Spielen Sie es für mich.«
    Er rückte ein wenig zur Seite, räumte ihr aber nur eine Handbreit Platz ein. Mit klopfendem Herzen nahm sie auf der Bank neben ihm Platz. Er machte keine Anstalten, noch ein Stück zur Seite zu rutschen. Sein Körper war wie eine undurchdringliche Mauer, und Beth war ihm so nah, dass sie den Druck seines harten Bizeps und seines muskulösen Oberschenkels spürte.
    Bernsteinfarbene Augen funkelten hinter dichten Wimpern, als er ihr den Kopf halb zuwandte.
    Beth holte tief Luft. Sie streckte die Hand an seinem Bauch vorbei aus, um die Tasten zu erreichen, und spielte ungelenk die Einleitung, bevor sie mit zitternder Stimme zu singen begann.
    »Ich hab als Major General ein hohes Geistespotenzial … «

5
    Beths Finger flogen nun behände über die Tasten. Ihre Nägel waren kurz geschnitten, wie Ian bemerkte, und der einzige Schmuck war ein Silberring am kleinen Finger der linken Hand.
    Ihre sanfte Altstimme hüllte ihn ein, doch machte er sich nicht die Mühe, den Worten Sinn zu geben: »I‘m very good at integral and differential calculus. I know the scientific names of beings animalculous …«
    Die blaue Rosette an ihrem Dekolleté hob und senkte sich beim Singen, und mit dem Ellbogen streifte sie seine Weste, während ihre Hände über die Klaviatur glitten. Statt in tristes Grau war Beth nun in hellblaue Seide gehüllt. Wahrscheinlich Isabellas Werk.
    Beim Singen hatte sich eine von Beths Locken gelöst. Sie fiel ihr in die Stirn und wippte bei jeder von Beths Bewegungen mit. Ian wollte sie zu gern in den Mund nehmen und glatt ziehen.
    Zum Ende nahm die Melodie noch einmal an Schwung zu: »I am the very model of a modern Major-General.« Dann folgten ein paar klingende Akkorde, und das Lied war vorbei.
    Atemlos lächelte sie Ian an. »Ich bin etwas aus der Übung. Aber da Isabella dieses wundervolle Pianoforte besitzt, habe ich jetzt wohl keine Ausrede mehr.«
    Ian legte die Finger dort auf die Tasten, wo Beths eben noch geruht hatten. »Hat das Lied einen Sinn?«
    »Wollen Sie etwa sagen, dass Sie noch nie Die Piraten von Penzance gesehen haben? Mrs Barrington hat mich vier Mal in dieses Stück geschleppt. Und sie hat bei jedem Lied mitgesungen – sehr zum Unwillen des Publikums ringsum.«
    Ian ging ins Theater oder in die Oper, wenn Mac, Hart oder Cameron ihn mitnahmen, dabei war es ihm gleichgültig, was aufgeführt wurde. Der Gedanke, mit Beth in dieses

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