Kein Lord wie jeder andere (German Edition)
Isabella ans Herz gewachsen war. In ihrer Großzügigkeit hatte sich Isabella ihrer angenommen und ihr eine neue und erstaunliche Welt gezeigt.
Isabella umarmte auch Ian und machte deutlich, wie sehr sie sich für ihn freute.
Schließlich begaben sich Ian und Beth gemeinsam mit Curry und Katie und einer Kutsche voller Koffer, Taschen und Schachteln zum Bahnhof. Als Ian sie in ihr Erste-Klasse-Abteil geleitete und es Curry überließ, sich um Gepäck, Billetts und Katie zu kümmern, wurde Beth klar, wie viele Dinge für einen Aristokraten ganz selbstverständlich waren.
Auch wenn Ian immer wieder beteuerte, in kein Schema zu passen, war er der Bruder des Herzogs, war er zu reich und zu vornehm, um sich um Lappalien zu kümmern. Dafür hatte er Dienstboten.
In den vergangenen Tagen hatte Beth nur noch selten an Mrs Barrington gedacht, und auch deren mahnende Stimme vernahm sie nur noch gelegentlich, und dann sehr leise. Du bist ganz schön eingebildet geworden. Lass dir das nicht zur Gewohnheit werden, mein liebes Fräulein.
Was Thomas wohl von alledem gehalten hätte? Doch seine Stimme war endgültig verstummt. Und als sich der Zug in Bewegung setzte, nahm Beth den vorbeiziehenden Bahnhof durch ihren Tränenschleier nur undeutlich wahr.
Ian hatte sich nicht einmal darum gekümmert, ob Curry es in den Zug geschafft hatte. Beth verglich diese Reise mit ihrer Abfahrt aus London. Mrs Barringtons ältlicher Diener, der ihr schnaufend zu helfen versuchte, doch ständig alles fallen ließ; Katie, die sich unaufhörlich Sorgen machte, dass jemand ihr Gepäck stahl, und die Zofe, die sich in ihrer Angst vor »fremden Ländern« in letzter Minute aus dem Staub gemacht hatte.
Natürlich hatte Curry derlei Probleme nicht. Während sie durch Paris rollten, erschien er an ihrer Abteiltür, um ihnen mitzuteilen, dass die Billets besorgt und der Tee bestellt war, und um nach weiteren Wünschen zu fragen. In seiner besonnenen und tüchtigen Art war ihm nicht anzumerken, dass sein Herr soeben überstürzt geheiratet hatte und obendrein auch noch zu einer weiten Reise aufgebrochen war.
Nachdem sie Paris hinter sich gelassen hatten und durchs regennasse Frankreich zuckelten, bekam Beth einen Vorgeschmack auf Ians Ruhelosigkeit. Nach nur einer halben Stunde verließ er ihr Privatabteil und wanderte von da an im Zug auf und ab, auf und ab. Als sie von Calais aus mit der Fähre übersetzten, streifte Ian rastlos auf dem Deck umher, während Beth einsam in der Kabine schlief.
Als er sich im Zug von Dover zur Victoria Station wieder anschickte, das Abteil zu verlassen, konfrontierte sie ihn schließlich mit seinem Verhalten.
»Was ist los mit dir? Warum hält es dich nie auf dem Sitz?«
»Ich bin nicht gern eingesperrt.« Er öffnete die Abteiltür, auf seiner Oberlippe hatten sich kleine Schweißperlen gebildet.
»Aber du fährst doch auch gern Kutsche.«
»Eine Kutsche kann ich jederzeit anhalten. Aus einem Zug kann ich nicht aussteigen, wenn ich es will.«
»Das ist wohl wahr. Vielleicht können wir eine Ablenkung für dich finden.«
Abrupt schloss Ian die Abteiltür. »Ich gehe aber auch, weil ich meine Hände kaum von dir lassen kann.«
»Wir haben noch ein paar Stunden Fahrt vor uns. Curry wird dafür sorgen, dass wir ungestört bleiben.«
Ian zog die Vorhänge zu und drehte sich zu Beth um. »An was für eine Ablenkung hast du denn gedacht?«
In einem engen Zugabteil kann man nicht sehr viel anstellen, hatte Beth gedacht, doch Ian bewies Erfinderreichtum. Er kniete sich hin, und sie setzte sich halb nackt auf ihn, schlang die Beine um ihn. In dieser Stellung waren sie auf Augenhöhe, und in der Hoffnung, er würde sie noch einmal ansehen, schaute sie ihn unablässig an. Doch auf dem Höhepunkt schloss er die Augen und wandte den Kopf ab.
Minuten später saß Beth wieder komplett bekleidet und noch etwas atemlos auf ihrem Sitz, derweil Ian von Neuem durch den Zug streifte.
Als sie ihr Bett noch mit Thomas geteilt hatte, war es darin zwar weniger wild zugegangen, doch es hatte immer mit zärtlichen Küssen und Liebesbeteuerungen geendet. Nun lief Ian im Zug umher, während Beth allein im Abteil saß und die Wiesen Englands an sich vorbeiziehen sah. In ihr hallten Ians Worte von damals wieder: Liebe würde ich von Ihnen nicht erwarten. Denn ich kann Ihnen keine Liebe zurückgeben.
Ihr Gepäck kam unbeschadet am Bahnhof an, doch die elegante Droschke, die schon bereitstand, brachte sie nicht zur Euston Station, sondern
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