Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
ausgerechnet in ihn, einen Versager und Drückeberger?
Er wandte sich vom Fenster ab. Er hätte die Finger von ihr lassen müssen und sie nicht herbringen dürfen. Aber verdammt noch mal, er war verliebt bis über beide Ohren! Eins hatte er inzwischen begriffen, nämlich dass er in Sachen Liebe immensen Nachholbedarf hatte. Tiefe Gefühle machten angreifbar, schürten die Angst, die sein ständiger Begleiter war. Fleur war eine starke Frau, deswegen mochte sie auch nicht akzeptieren, dass er labil war. Da machte er sich nichts vor: Viele Typen hatten das Entsetzen des Krieges durchgestanden, er dagegen war zusammengebrochen.
Sie hatte die Manuskriptseiten rings um den Stuhl verstreut, wo sie sie gelesen hatte. Im Geiste sah er, wie sie dort saß, die langen Beine angewinkelt, die glatte, hohe Stirn konzentriert in Falten gezogen. Er trat zu dem Stuhl und hob die Seiten auf. Beschloss, ein Feuer im Kamin zu machen und sie noch vor dem Schlafengehen zu verbrennen.
Das Manuskript war brisanter Zündstoff. Er würde erst wieder ruhig schlafen können, wenn er es vernichtet wusste. Außer Fleur durfte niemand den Inhalt erfahren. Ansonsten könnte er sich ebenso gut gleich eine Pistole an die Schläfe halten und sich das Hirn aus dem Schädel pusten.
Er schlenderte erneut zum Fenster. Fleur kauerte immer noch draußen am Pool. Vielleicht war sie eingeschlafen. Hoffentlich.
Als er zu seinem Stuhl zurückkehrte, fiel sein Blick auf die oberste Manuskriptseite. Er hob sie auf, betrachtete Druck und Schriftbild und fand, dass die rechte Begrenzung zu nah am Papierrand war. Er registrierte diesen unwichtigen Fakt und begann ganz nebenbei zu lesen.
Kapitel eins
Alles in Vietnam schien mit Sprengsätzen präpariert. Eine Packung Zigaretten, ein Feuerzeug, ein Schokoriegel – egal was, es konnte unvermittelt vor deinem Gesicht hochgehen. Bei dem winzigen toten Körper, den wir am Straßenrand von Quang Tri entdeckten, dachten wir uns nichts weiter, als dass dort wieder eine Babyleiche läge. Wer hätte sich vorzustellen vermocht, dass jemand den Leichnam eines Kindes mit einer hochexplosiven Ladung Dynamit versehen könnte? Das war der endgültige Raub der Unschuld …
Spät in der Nacht trug Jake sie ins Haus. Auf dem Weg ins Gästezimmer stieß er mit ihr am Türrahmen an, und er fluchte leise, aber als er sie hinlegte und »Gute Nacht« hauchte, schwang in seiner Stimme eine ergreifende Zärtlichkeit, dass sie sich weiterhin schlafend stellte.
Emotional ungefestigt. So hatte sie sich gegenüber Kissy ausgedrückt, und das stimmte. Sie hatte schon genug Kummer im Leben und keinen weiteren Bedarf. Jake zu lieben, der mit ihrem Herzen spielte wie mit einem seiner Basketbälle, war eine unerträgliche Zumutung.
Früh am nächsten Morgen fand sie ihn schlafend auf einem der Sofas, den Mund leicht geöffnet, sein Arm steckte in dem Berg Manuskriptseiten, die am Boden verstreut lagen. Sie schnappte sich den Jaguarschlüssel und verstaute ihre Sachen hastig in ihrer Reisetasche. Sein eigener Wagen stand in der Garage, folglich ließ sie ihn nicht unmobil und unmotorisiert zurück.
Der Jaguar sprang sofort an. Als sie den Rückwärtsgang einlegte und in die Auffahrt zurücksetzte, blendete das morgendliche Sonnenlicht ihre Augen. Sie waren noch rot vom Weinen. Sie wühlte in ihrer Tasche nach der Sonnenbrille. Die steil ansteigende Zufahrt zum Haus wand sich in engen, kaum passierbaren Kurven. Jake und sein Sicherheitswahn. Er hatte den Bungalow quasi in eine Festung verwandelt, nur weil er sein blödes, kostbares Privatleben schützen wollte.
Sie fuhr im Schritttempo die Auffahrt hinunter. Eine Bewegung im Rückspiegel machte sie stutzig. Jake lief auf den Wagen zu. Das Hemd hing ihm aus der Hose, seine Haare waren wild zerwühlt, seine Miene mordlüstern. Sie konnte nicht hören, was er brüllte. War vielleicht auch besser so.
Sie beschleunigte, nahm die nächste Kurve zu schnell und spürte, wie die Karosserie aus der Fahrspur ausscherte. Automatisch riss sie das Lenkrad nach rechts. Der Jaguar schlingerte. Bevor sie gegensteuern konnte, hing sie mit dem Vorderrad im Graben.
Sie stellte die Zündung aus und legte die Arme auf das Lenkrad, wartete auf den wutschäumenden oder den zynischen Jake oder welche Fassade auch immer er gerade aufsetzen mochte. Wieso ließ er sie nicht einfach fahren? War es so schwierig, sich auf elegante Weise zu trennen?
Die Fahrertür wurde aufgerissen, doch sie blieb stocksteif
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