Kein Mann für eine Nacht: Roman (German Edition)
Paranoia.«
»Na und? Alles geht nicht. Du kannst nicht wunderbare, gefühlvolle Stücke schreiben, die den Menschen mitten ins Herz schauen, und auf der anderen Seite erwarten, dass dich menschliche Schicksale kaltlassen.«
»Etliche Typen haben dasselbe gesehen und flippten nicht aus.«
»Du bist eben anders, sensibler.«
Sie streckte begütigend die Hand nach ihm aus. Er jedoch sprang auf und drehte sich mit dem Rücken zu ihr. »Damit hab ich wohl an deine Verständnisbereitschaft appelliert, was? Du musst mich nicht auch noch verteidigen, ist das klar?« Seine Worte waren wie ein Peitschenhieb. »Du hast Mitleid mit mir. Glaub mir, das lag bestimmt nicht in meiner Absicht.«
Sie stand ebenfalls auf. »Als du mir das Manuskript gabst, hättest du gleich dazusagen sollen, dass du keinen Wert auf meine Reaktion legst. Was hast du erwartet? Dass ich so reagiere, als hätte ich einen deiner dummen Caliber-Filme gesehen? Das kann ich nicht. Ich verabscheue dich in der Rolle des tumben Cowboys, der irgendwelche Gegner mit Bleikugeln vollpumpt. Mir ging es unter die Haut, als du in diesem Militärhospital lagst und dir die Seele aus dem Leib geheult hast, weil du nicht verhindern konntest, was in dem Dorf passierte. Ja, ich habe mit dir gefühlt, und wenn du damit nicht umgehen kannst, dann hättest du mir das Manuskript nicht zu lesen geben dürfen.«
Ihre Äußerung machte ihn nur noch wütender. »Du hast nichts, aber auch gar nichts begriffen.«
Er stapfte davon, und sie sah ihm nach. Damit musste er allein klarkommen. Sie ging zum Pool, zog sich bis auf BH und Slip aus. Fröstelnd blickte sie in das dunkle, wenig einladende Wasser. Dann sprang sie hinein. Die Kälte raubte ihr den Atem. Sie schwamm zur Längsseite des Beckens und paddelte in Rückenlage zurück.
Kalt … abweisend … verstoßen.
Sie empfand tiefes Mitgefühl für den Jungen, dem eine vom Leben frustrierte Mutter die Liebe verweigerte, die er dringend brauchte. Er hatte in den Männern, die in den Bars in der Umgebung herumlungerten, einen Vater gesucht. Manchmal hatte er einen gefunden, der sich seiner annahm, manchmal auch nicht. Es war auf bezeichnende Weise zynisch: Das Collegestipendium hatte er nicht für seinen sensiblen Intellekt bekommen, sondern weil er sich als überdurchschnittlich talentierter Basketballspieler entpuppte.
Während sie durch das eisige Wasser glitt, ging ihr seine Ehe mit Liz durch den Kopf. Er hatte sie noch lange nach der Scheidung geliebt. Typisch für Jake. Er kontrollierte seine Gefühle, aber wenn er jemanden liebte, dann bedingungslos. Betäubt von seinem Schmerz, hatte er sich einziehen lassen und dann vergeblich versucht, sich mit Krieg, Tod und Drogen abzulenken. Ob er überlebte, hatte ihn nicht gekümmert. Bei der Vorstellung schauderte es Fleur. An dem Massaker in jenem Dorf, das er nicht hatte verhindern können, war er innerlich zerbrochen. Und trotz der vielen Monate im Militärhospital war er nie richtig genesen.
Sie blickte in den Nachthimmel. Allmählich glaubte sie sich in der Lage, ihn zu verstehen.
»Das Wasser ist kalt. Komm besser raus.« Er stand am Poolrand, in einer Hand eine Flasche Bier, in der anderen ein orangerotes Strandtuch.
»Gleich.«
Er zögerte, ehe er Handtuch und Bier zu einer Liege trug.
Sie inspizierte die nächtlichen Wolken. »Wieso hast du mich für die Schreibblockade verantwortlich gemacht?«
»Das Problem begann, als ich dich kennen lernte. Vorher war alles okay.«
»Irgendeine Idee, wieso?«
»Glaub schon.«
»Und, verrätst du sie mir?«
»Nicht unbedingt.«
Sie kraulte durch das Wasser. »Dann sag ich dir, weshalb du nicht schreiben konntest. Weil ich dir zusetzte. Und diese Mauern einrannte, die du um dich aufgebaut hattest. Die naive Neunzehnjährige, die dich mit Blicken verschlang, hätte sie schneller einreißen können, als dir lieb war. Davor hattest du eine Mordsangst.«
»Du machst es komplizierter, als es in Wirklichkeit war. Nachdem du fort warst, konnte ich nicht mehr schreiben wegen meiner Schuldgefühle.«
»Irrtum!« Sie schwamm, bis ihre Füße den Boden berührten. »Von wegen Schuldgefühle. Das ist bloß eine Ausrede.« Ihre Kehle war plötzlich wie zugeschnürt. »Dazu gab es auch gar keinen Grund. Du hast mich verführt, weil du mich begehrtest und vielleicht auch ein bisschen in mich verknallt warst.« Sie schluckte schwer. »Sei ehrlich, Jake, du warst in mich verliebt. Ich kann mir das nicht bloß eingebildet
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