Kein Mann für jeden Tag: Roman (German Edition)
Patrick können im Augenblick nicht ans Telefon kommen.«
Ich knalle den Hörer auf die Ladestation, ohne eine Nachricht zu hinterlassen.
Nick kann ich nicht anrufen, weil Nancy rangehen würde, und außerdem will ich mit Mum sprechen – nicht mit Nick!
Als Ed mich verließ, hat sie mich in den Armen gewiegt wie ein kleines Kind, bis ich einschlafen konnte.
Ich glaube, Kinder brauchen ihre Mütter lebenslang.
Ich versuche es ein zweites Mal, aber nach wie vor antwortet niemand.
»Gilly«, begrüßt mich Gloria, während sie ihren Morgenmantel zubindet und Ruskin und mich einlässt, »was ist los? Ist etwas passiert?«
Wie gut, dass sie wieder da ist!
Ich berichte zunächst von Jack, und Ruskin legt sich auf seine angestammte Stelle vor dem Kamin.
»Dieser verdammte Halunke!«, schimpft sie und reicht mir das zweite Glas Cognac. »Tut mir wirklich leid, Gilly. Es ist meine Schuld. Ich habe dich schließlich ermutigt, mit ihm auszugehen, ich habe ...«
Ich entdecke Prospekte einiger Immobilienagenturen auf ihrem Couchtisch.
»Du willst doch nicht etwa umziehen?«, unterbreche ich sie.
»Nein, Gilly, ich wollte nur wissen, wie viel mein Haus inzwischen wert ist.«
Sie erhebt sich aus ihrem Sessel und setzt sich neben mich. Offenbar spürt sie meine Traurigkeit.
»Geh nicht weg, Gloria ...«
»Gilly«, sagt sie leise, »das werde ich nicht. Und wenn du wegen Jack so traurig bist: Er ist es nicht wert, Liebes.«
»Jack ist mir egal.« Ich fange an zu weinen. »Du bist alles, was mir noch bleibt«, schluchze ich und klammere mich an sie wie ein kleines Kind.
»Das ist nicht wahr. Du hast so viele Freunde.«
»Ich vermisse meine Mum ...«
Ich schlucke und denke an Guy. Ich kann Gloria nicht von ihm erzählen. Bald wird er fort sein. Verheiratet und fort.
»Geh nicht weg«, flehe ich und umarme sie.
»Deine flotte Rentnerin geht nirgendwohin«, verspricht sie und streichelt mein Haar – genau wie früher Mum, wenn meine Tränen nicht enden wollten.
*
Ich spüre, wie ich mit einer warmen Decke zugedeckt werde, und höre, wie ein Glas Wasser auf meinen Nachttisch gestellt wird.
»Glaube ja nicht, dass du mich loswirst, Gilly«, höre ich Gloria flüstern, bevor sie mir einen Gutenacht-Kuss auf die Wange drückt. »Nie und nimmer.«
40
1990
Nicholas und ich kommen nach Hause, unsere Tennistaschen hängen über unseren Schultern. Wir sind dreizehn und haben Ferien. Mum hat uns zu einem einwöchigen Tenniskurs angemeldet. Nicholas sagt, sie hat es getan, damit wir aus dem Haus sind.
Dad sitzt mit finsterem Gesicht am Tisch und liest etwas.
Ich öffne den Kühlschrank und nehme den Orangensaft heraus, Nicholas holt sich Chips aus dem Schrank.
»Wo ist Mum?«, fragt er.
Ich erwarte, dass Dad sagt, sie sei oben und ruhe sich aus.
Mittlerweile verbringt sie die meiste Zeit mit Schlafen. Wenn sie nicht schläft, dann raucht sie.
»Dad?« Ich setze mich an den Tisch. »Stimmt etwas nicht?«
Ich schaue ihm über die Schulter und sehe, dass der Brief in Mums Handschrift geschrieben ist. Er versucht, ihn vor mir zu verbergen.
»Dad?«, frage ich.
»Es tut mir so leid«, murmelt er und blickt mich an.
In seinen Augen schimmern Tränen. Jetzt weiß ich, dass es wirklich schlimm sein muss, denn Dad weint fast nie. Mum behauptet immer, sein Herz sei aus Stein.
»Sie ist gegangen«, sagt er.
Kalte Angst krampft sich um mein Herz.
»Gegangen? Wohin?«, fragt Nicholas.
»Sie hat uns verlassen.«
*
Seit Mum nicht mehr da ist, weine ich mich jeden Abend in den Schlaf. Weder Dad noch Nicholas zeigen irgendwelche Gefühle; ich habe den Eindruck, der Sonderling in dieser Familie zu sein.
Wenn ich abends im Bett weine, versucht Dad, mich zu trösten. Er sagt dann Sachen wie, wir müssten stark sein und lernen, ohne sie zu leben.
»Kommt sie denn irgendwann zurück?«, schluchze ich.
»Ich weiß es nicht.« Er nimmt meine Hand und streichelt sie unbeholfen. »Wenn du älter bist, Gilly, wirst du feststellen, dass das Leben manchmal ganz anders ist als ...«, er hält inne und blickt zu meinem Bücherregal hinauf, »... als im Märchen. Es wird Menschen geben, die dich enttäuschen. Die Wahrheit ist hart, aber so ist sie nun einmal.«
Dad sagt, Nicholas und ich dürften niemals an Mums Liebe zu uns zweifeln. Sie sei nicht weggegangen, weil sie uns nicht liebt, sondern weil sie nicht mehr unsere Mutter sein kann.
»Aber du verlässt uns nicht – oder, Dad?«
»Nie und nimmer.« Er umarmt mich. »Mich
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