Kein Mann für jeden Tag: Roman (German Edition)
hängen.«
»Na, das ist mal eine Überraschung!«, spotte ich, ehe ich Guy lächelnd anvertraue, jeder habe so seine Schwächen.
Ich hege beispielsweise eine Aversion gegen Festzelte und Strumpfhosen. Festzelte verursachen mir Schwindel, und Strumpfhosen jucken wie die Pest.
»Am schlimmsten waren die aus Wolle, die wir damals immer zur Schule tragen mussten.«
Schließlich entspannt sich Guy und lässt sich sogar zu einem Lob für meine Fähigkeit herunter, Krawattenknoten zu binden.
»Ich habe meinem Bruder Nicholas immer dabei helfen müssen. Irgendwie hatte er nie ein Händchen dafür. So!«
Ich trete einen Schritt zurück und betrachte mein Kunstwerk namens Guy. Da sticht mir seine Wollmütze ins Auge.
Er weicht voller Vorahnung zurück.
»Aber das ist, als würde ich Turnschuhe zum Hochzeitskleid tragen«, protestiere ich und gehe auf ihn zu.
»Nein, Gilly!«
»Nimm sie ab. Flora wird es mir danken.«
Er lacht, hält die Mütze aber fest. »Nein!«
»Kann ich helfen?«, fragt Adrian irritiert.
Ich verschränke die Arme und blicke Guy an. »Er will die Mütze nicht abnehmen.«
Adrian stützt eine Hand auf die Hüfte und mustert Guy. »Ich glaube, Sie würden ohne besser aussehen.«
»Die Mütze bleibt, wo sie ist. Friss oder stirb!«
»Gut, dann gehe ich jetzt.«
Ich wende mich zur Tür und grinse Adrian verschmitzt zu.
»Gilly!«, ruft Guy mir hinterher.
Ich drehe mich um. Ohne seine Mütze sieht Guy rührend verletzlich aus.
»Ich hatte noch keine Zeit, es zu färben«, sagt er und zeigt auf seine grauen Schläfen. Sein dunkles Haar ist so verwuschelt, als hätte er gerade einen langen Spaziergang an einer stürmischen Küste gemacht. Verlegen fährt er sich mit der Hand hindurch.
Ich streife einen losen Faden von seiner Schulter und drehe sein Gesicht zu mir hin. Zum ersten Mal sehe ich bewusst die Farbe seiner Augen. Sie sind blau – nicht strahlend blau wie die von Jack, sondern eher sanft, blässlich.
»So ist es besser«, triumphiert Adrian. »Viel, viel besser!«
»Du siehst ja richtig gut aus«, sage ich.
»Weißt du eigentlich, welches Privileg du gerade genießt?«, fragt Guy. »Ich nehme meine Mütze nicht für jeden ab.«
Nachdem wir mit Einkaufstüten beladen sind – ich habe mir ein Paar schwarze Stiefeletten gekauft, mit denen ich schon lange geliebäugelt hatte, danke, Wochenendheimfahrer-Jack! –, erklärt mir Guy, dass ich als Nächste an der Reihe bin. Nun würde zur Abwechslung er tun, was immer ich will.
Na dann, denke ich und blicke auf die Uhr. Es ist fast vier.
»Lass uns die Hunde holen. Ich möchte jemanden besuchen.«
»Wen denn?«
»Du wirst schon sehen.«
*
Ich führe Guy in die St Mark’s Church, die sich groß und beeindruckend am Rand vom Regent’s Park erhebt.
»Früher waren wir sonntags immer hier«, erzähle ich. »Megan nannte sie ›ihre‹ Kirche, weil sie sie von ihrem Schlafzimmer aus sehen konnte.« Ich deute auf ein kleines modernes Fenster im südlichen Querschiff, das in seiner Mitte einen kleinen Affen zeigt. »Der gehört Megan«, sage ich.
»Wunderschön.«
»Ich habe für Megan Geschichten geschrieben, die von Micky, dem Zauberäffchen, handelten. Micky brachte Megan an jeden Ort, von dem sie träumte. Er kleidete sie wie eine Prinzessin und führte sie in Paläste und auf Feste. Auf einem fliegenden Teppich flogen sie gemeinsam nach Indien oder Ägypten ...« Ich breche ab. »Und deswegen ist Micky in diesem Fenster, wo er hingehört.«
»Darf ich?«, fragt Guy, nimmt eine Kerze und zündet sie an. »Hallo, Megan«, sagt er leise, »hier ist Guy. Ich hoffe, dass Micky sich gut um dich kümmert und ihr ganz viel Spaß miteinander habt. Ich wollte dir nur kurz erzählen, was inzwischen hier so passiert ist. Ich habe nämlich deine große Schwester Gilly kennengelernt. Sie ist sehr nett.« Er dreht sich zu mir um und grinst. »Sie hat mir gerade dabei geholfen, einen Anzug zu kaufen. Aber sie kann einen auch ganz schön herumkommandieren. Gerade hat sie mich zum Beispiel gezwungen, meine Mütze abzusetzen.«
Ich stoße ihn sanft an. »Ganz ehrlich, Megan, wenn du ihn mit dieser Mütze gesehen hättest, hättest du dasselbe getan«, sage ich leise.
»Jedenfalls haben wir uns im Park beim Hundespaziergang kennengelernt«, fährt Guy fort. »Sie hat einen süßen kleinen Hund namens Ruskin, und mein Hund heißt Trouble. Ich weiß, es ist ein lächerlicher Name, das habe ich meiner Freundin auch gesagt. Gilly und ich gehen
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