Kein Mann für jeden Tag: Roman (German Edition)
dann aber auch. Mehr gibt es nicht anzuprobieren«, sage ich erschöpft und ein bisschen unwirsch mit dem verflixten Federding in der Hand. »Damit muss ich mich jetzt zufriedengeben.«
Guy gibt vor, sich mit Ruskin zu unterhalten. »Er sagt, du sähest total heiß aus. Einfach süß!«
»Und was denkst du?«
»Eine glatte Zehn«, sagt er mit anerkennendem Blick.
38
Während ich mich für den Abend style, frage ich mich, warum es mir so schwerfällt, mich umzuziehen. Trotz Guys Versicherung, dass ich den Abend bestimmt genießen werde, muss ich mir eingestehen, dass ich mir da gar nicht so sicher bin. Lächelnd denke ich an Dad, der zu Salsa-Kursen geschleppt wurde, obwohl er viel lieber mit einer Zigarre in der Badewanne gelegen hätte.
Vielleicht sollte ich jetzt – mit fünfunddreißig – ein paar Dinge infrage stellen. Jahrelang habe ich meine Gewohnheiten nicht verändert, beispielsweise verstaue ich mit der Präzision eines Uhrwerks meine Sachen im Fitnessstudio immer im gleichen Schließfach mit der Nummer neunundneunzig. Nur ein einziges Mal habe ich bisher das Fach gewechselt und war anschließend felsenfest davon überzeugt, ich wäre bestohlen worden. Wütend scheuchte ich das Personal auf, weil ich ausgerechnet an diesem Tag ein sündhaft teures Anti-Chlor-Shampoo dabeihatte, das fehlte. Erst nach einigem Hin und Her dämmerte mir, dass meine übliche Nummer neunundneunzig besetzt gewesen war und ich ein anderes Schließfach hatte benutzen müssen.
Eine andere Gewohnheit ist die Hundegruppe, die sich jeden Morgen um die gleiche Zeit unter der Eiche trifft. Warum muss es ausgerechnet immer dieser Baum sein? Allerdings sind wir nicht die Einzigen, die sich sklavisch an ihre Routine halten. Guy und mir ist aufgefallen, dass Rita, die frühere Bürgermeisterin von Hammersmith, die Eichhörnchen im Park jeden Tag zur gleichen Zeit füttert und ihr Elektromobil stets an dergleichen Stelle neben dem Denkmal parkt. Aber vielleicht ist es ja auch einfach nur so, dass wir nicht daran denken, unsere Angewohnheiten zu verändern, selbst wenn es sich nur darum handelt, wo und zu welcher Zeit wir Eichhörnchen füttern.
Nachdem ich mir den letzten Schliff verpasst und in meine Bunny-Pumps geschlüpft bin, beschließe ich, dass es höchste Zeit ist, etwas Abwechslung in meine Routine zu bringen: Der Anfang wird sein, diesen Abend zu genießen. Vielleicht ist Jack ja genau der richtige Mensch, den ich in diesem Lebensabschnitt brauche. Ich muss wieder spontan werden, mich bereit fühlen, jung und lebendig zu sein, und sollte keine Angst mehr vor der Zukunft haben. Jack hat recht. Manchmal hinterfrage ich Dinge in solch einem Maß, dass der halbe Spaß auf der Strecke bleibt.
Ein Telefonanruf unterbricht mich in meiner Vorbereitung.
Susie will über das Drama des vergangenen Abends reden.
»Du tust was?«, fragt sie, obwohl ich ihr klipp und klar erklärt habe, womit ich gerade beschäftigt bin.
»Lach mich bitte nicht aus«, flehe ich sie an. »Gib mir lieber ein paar Tipps, wie ich diese Demütigung durchstehe.«
»Am besten kaufst du dem Gastgeber noch ein großes Geschenk. Nicht teuer, nur umfangreich. Und dahinter kannst du dich dann verstecken.«
Ich muss lachen.
»Was hältst du übrigens von Jack?«
Ich kann mich nicht zurückhalten, sie zu fragen, denn Susie hat sich bisher noch nicht über ihn geäußert.
»Ich mag ihn«, sagt sie unsicher. »Er sieht wirklich gut aus, aber ...«
»Aber was?«
»Keine Ahnung. Ich denke, er ist nett.«
»Wir fahren im nächsten Monat zusammen übers Wochenende weg.«
»Toll! Wohin?«
»Und wie findest du Guy?«, frage ich, statt eine Antwort zu geben.
»Er ist wirklich interessant.« Jetzt klingt sie überzeugter. »Mark und ich haben über ihn gesprochen. Ich fand ihn total sympathisch. Ganz anders, als wir dachten, aber ...«
Ich warte.
»Uns hat gefallen, wie er Nancy entgegengetreten ist. Ich glaube, er ist ein prima Kumpel, den du dir unbedingt warmhalten solltest.« Sie macht eine Pause. »Tut mir leid, aber Mark und ich haben uns über die Kuchen-Geschichte förmlich ausgeschüttet vor Lachen.«
Auch jetzt kann ich ein Lächeln in ihrer Stimme hören.
*
Nancy steigt in einem fabelhaften, feuerroten Strasskorsett mit einer Perücke in der gleichen Farbe zu mir ins Taxi. Sie sieht fantastisch aus – ganz Femme fatale.
Unterwegs entschuldige ich mich noch einmal für Guys Fauxpas und betone, dass es wirklich nicht in seiner Absicht lag, sie
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