Kein Mann für jeden Tag: Roman (German Edition)
dir bleiben? Ich könnte auf dem Sofa schlafen.«
»Aber sicher«, sagt er und drückt mir einen zärtlichen Kuss auf die Stirn.
Plötzlich wird mir heiß und kalt. Das Wichtigste hätte ich beinahe vergessen.
»Himmel, was soll ich bloß Nicholas sagen?«
»Ganz einfach«, meint Guy. »Du sagst ihm die Wahrheit. Er muss es schließlich erfahren.«
»Nancy wird sicher behaupten, dass ich mir alles nur ausgedacht habe, dass ich lüge ...«
»Und wem vertraut er mehr? Dir oder Nancy?« Guy zuckt mit den Schultern. »Nicholas weiß schließlich, dass du ihn liebst. Er ist dein Zwillingsbruder. Wäre ich er, würde ich dir in jeder Hinsicht vertrauen.«
»Wirklich?«
»Du bist unfähig zu lügen, Gilly. Die Wahrheit ist dir wichtig.« Er streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Und genau das finde ich so wundervoll an dir.«
39
Am nächsten Morgen wache ich in einem von Guys alten Streifenhemden auf seiner Bettcouch auf. Ruskin liegt neben mir. Als ich ihn streicheln will, steht er auf und lässt sich ein Stück weiter nieder. Er ist und bleibt ein Morgenmuffel. Mein Kopf hämmert. Nur langsam kehrt die Erinnerung an die Ereignisse der vergangenen Nacht zurück.
Ich bin Gilly Brown, wieder Single, gedemütigt, bald ohne Untermieter – wie soll ich jetzt nur für all die Rechnungen und die Tilgung der Kredite aufkommen? – und demnächst Überbringerin schlechter Nachrichten für Nicholas.
Guy kommt ins Zimmer.
»Lust auf ein Frühstück?«, fragt er und reicht mir einen Morgenmantel.
Ich nicke und strecke mich, ehe ich ihm in die Küche folge. Sie ist klein und zum Wohnzimmer hin offen. An einer Seite hängt eine Pinnwand mit Fotos seiner Familie.
Ich muss lächeln, als ich ein Bild entdecke, das Guy in Anzug und stahlblauem Hemd neben seiner frisch verheirateten Schwester Rachel zeigt.
»Du hast also tatsächlich auf die Mütze verzichtet«, lobe ich ihn stolz.
»Den ganzen Tag.«
»Die Krawatte steht dir.«
Ich entdecke auch ein hübsches Schwarz-Weiß-Foto von Guy und Flora in New York – damals, als er die Buchung durchgezogen hat. Floras langes Haar weht ihr über das Gesicht, sie klammert sich an seinen Arm und lacht.
»An dem Tag war es ziemlich windig«, sagt Guy und lächelt.
Flora ist groß, schlank und eher unkonventionell gekleidet. Auf dem Bild muss sie etwa Anfang dreißig sein, aber sie hat ein sehr junges Gesicht und wirkt heiter und irgendwie trotzdem elegant. Ich kann sie mir gut mit umgehängter Kamera vorstellen, wie sie durch ein fernes Land streift, unbekannte Gegenden erforscht und besondere Momente in Bildern festhält.
»Wie fühlst du dich heute?«, fragt Guy, als ich mich von der Fotowand abwende und mir einen Hocker heranziehe.
Er öffnet den Kühlschrank, nimmt eine Flasche Milch heraus und sucht nach der Butterdose.
Mir fällt auf, dass er mir nach der Nähe der vergangenen Nacht heute nicht in die Augen schauen kann. Stattdessen zieht er es vor, sich zu beschäftigen.
»Hoffentlich hattest du keine hässlichen Nancy-Träume.«
Ich lächle. »Entschuldige, Guy, dass ich alles bei dir abgeladen habe. Und dass ich so spät in der Nacht hier aufgekreuzt bin.«
Guy schaltet den Fernseher ein und schlägt vor, Rührei mit Speck zu machen.
»Man muss sich nicht entschuldigen, wenn man mitten in der Nacht einen Freund braucht«, sagt er und sieht mich endlich richtig an.
Wir tauschen untereinander die Teile der Tageszeitung. Während ich ihm Kaffee eingieße, füttert er die Hunde unter dem Tisch mit Toast.
»Was hast du dieses Wochenende vor?«, erkundigt er sich.
»Vielleicht sollte ich von einer Brücke springen?«, schlage ich düster vor.
Wir grinsen.
Ich erzähle Guy von den Streitigkeiten mit Jack wegen seiner Wochenendgestaltung, wegen seines ständigen Ausweichens und wegen seiner Arbeit. Ich beichte ihm sogar das Zusammentreffen mit Jacks Bruder Alexander und wünsche mir imNachhinein, ich hätte an jenem Abend Zeit gehabt, länger mit ihm zu reden. Hätte Jack uns nicht unterbrochen, hätte ich möglicherweise schon damals mehr über das wahre Ich meines Untermieters erfahren.
»Ich weiß nicht, Gilly«, wendet Guy ein, »vielleicht muss er ja auch wirklich so viel arbeiten. Diese Shows liegen voll im Trend. Nicht dass ich ihn verteidigen will«, fügt er rasch hinzu.
»Vielleicht habe ich auch nur einen schrecklichen Geschmack, was Männer angeht.«
»Nein, den hast du ganz sicher nicht«, meint er und deutet auf sich.
Mein Telefon, das
Weitere Kostenlose Bücher