Kein Mann für jeden Tag: Roman (German Edition)
stellen? Eigentlich gehe ich ihm doch nur aus Feigheit aus dem Weg. Andererseits habe ich ihm alles, was ich zu sagen hatte, bereits am Telefon mitgeteilt. Er weiß, dass ich, käme ich nach Hause und fände noch irgendwelche Habseligkeiten von ihm, diese einfach auf die Straße werfen würde. Ich hatte schon immer den Wunsch, einmal voller Wut einen offenen Koffer durch ein Fenster auf die Straße zu schleudern und zuzusehen, wie die Klamotten auf den Bürgersteig segeln. Bei Ed hat sich die Gelegenheit leider nicht geboten.
Noch wütender bin ich allerdings auf Nancy. Ich könnte sie umbringen, weil sie Nicholas und die Kinder hintergangen hat.
»Pst, da kommt er«, flüstert Guy und duckt sich.
Ich folge seinem Beispiel, und wir beobachten, wie Jack mit einem Koffer und einem Wäschesack das Haus verlässt. Er schließt sein Cabrio auf, wirft sein Gepäck in den Kofferraum und startet den Motor. Guy und ich tauschen einen konspirativen Blick aus. Ich nicke.
»Okay, Agent Brown«, sagt Guy und dreht den Zündschlüssel.
Guys Rostlaube von Lieferwagen muss sich ganz schön anstrengen, um mit Jacks Auto mitzuhalten. Ich bin immer noch dabei, Guy zu erklären, dass die Verfolgung eine blöde Idee war, wir ganz sicher nach Bath fahren und nur zusehen werden, wie Jack seine Wohnung betritt. Und anschließend werden wir den ganzen Weg wieder zurückfahren müssen, was für eine Spritvergeudung! Außerdem wage ich zu bezweifeln, dass der alte Lieferwagen eine so lange Strecke überhaupt bewältigt.
»Man sollte nie nur nach dem Äußeren urteilen. Dieses Baby ist schneller, als man denkt.«
»Ich lasse mich überraschen.«
»Du musst einfach mehr Vertrauen haben«, erklärt Guy, bittet mich, die Chipstüte zu öffnen, und tritt das Gaspedal durch.
Während wir auf der M4 westwärts brausen und uns nur ein einziger Wagen von Jacks Cabrio trennt, sage ich Guy, wie sehr ich den Tag genossen habe.
»Danke, dass du dich um mich gekümmert hast.«
»Immer gern«, antwortet er.
»Leider«, fahre ich besorgt fort, »werden wir so etwas wohl nicht mehr tun können, wenn Flora wieder da ist. Stell dir mal vor, ich würde irgendwann wie eine Verrückte mitten in der Nacht bei euch klingeln.« Ich lächle. »Für so einen Fall müsste ich mir vermutlich jemand anderen suchen.«
Ich kann nicht anders, als immerzu daran zu denken, wieschön es mit Guy ist – und zwar mit ihm allein – und wie gut ich über alles mit ihm reden kann. Weder mit Ed noch mit Jack war das möglich.
»Ich weiß«, antwortet er leise, als würde auch er darüber nachdenken.
»Freust du dich auf Flora?«, frage ich, obwohl ich mich vor der Antwort fürchte.
»Schon.«
Er spricht das Wort in einem Ton aus, der mich ermutigt zu fragen: »Aber?«
»Ein Teil von mir – aber das bleibt bitte unter uns – hat es sehr genossen, allein zu sein. Ich kann den Pizza-Service anrufen oder mir eine Episode nach der anderen von The Wire mit einem Fertiggericht auf dem Schoß anschauen. An den Wochenenden kann ich tun, wonach mir gerade ist, und muss nicht mit zu irgendeiner Hochzeit, bei der ich nicht einmal die Braut kenne. Sogar die Hunderunde macht mir Spaß.«
»Ich liebe den Park.«
»Und ich liebe Trouble. In den letzten Monaten ... Na ja, irgendwie ist sie zu meinem Hund geworden. Eigentlich habe ich keine Lust darauf, dass Flora wieder das Kommando übernimmt und ihr Frauchen wird.« Guy wirft mir einen Blick zu. »Und dann bist da auch noch du.«
»Ich?«
Fröstelnd ziehe ich die Ärmel meiner Jacke über meine Hände.
»Du hast recht mit dem, was du eben gesagt hast: Wir werden so etwas nicht mehr tun können.« Er starrt auf die Straße und fährt sich mit der Hand durch das Haar. »Es wird mir fehlen. Du wirst mir fehlen.« Er lässt die Faust auf das Lenkrad runtersausen. »Welche Bewandtnis hat es eigentlich mit Autos? Sie eignen sich geradezu ideal, um sich zu unterhalten oder Geheimnisse zu verraten. Man setze zwei Fremde in ein Auto und schicke sie nach Schottland – und am Ende der Reise werden sie sich besser kennen als manche Freunde. Liegt es vielleichtdaran, dass es im Auto kein Entrinnen gibt? Daran, dass der Zuhörer zwangsläufig nicht weglaufen kann?«
Ich nicke. »Wahrscheinlich. Aber man redet auch unvoreingenommener, weil man auf die Straße blickt und keinen Augenkontakt hat. Das Gleiche gilt übrigens für Hundespaziergänge.«
»Hundespaziergänge?«
»Ja. Denk mal darüber nach. Du kannst sagen, was du willst,
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