Kein Mann für jeden Tag: Roman (German Edition)
versuchen.
Guy fährt weiter, hält dann aber inne und beobachtet mich.
Ein Adrenalinstoß flutet meinen Körper, kalte Luft weht mir ins Gesicht. Ich fahre selbstständig eine ganze Runde, dann noch eine und noch eine ... Bei der nächsten versuche ich, Guy einzuholen.
»Komm schon, fang mich!«, ruft er.
Eine Gruppe Kinder überholt mich. Eines von ihnen fährt mir in den Rücken, und schon sitze ich auf dem Eis. Ich strecke die Hand aus, und Guy zieht mich wieder auf die Füße. Bevor ich wieder durchstarte, klopfe ich Jacke und Hose ab.
»Wie kommt es, dass du so sicher bist?«, will ich wissen.
»Ich bin als Kind auf dem Bauernhof oft Schlittschuh gelaufen«, ruft er über die Schulter zurück. »Eigentlich immer, wenn der Teich zugefroren war. Es war toll.«
Wild entschlossen, ihn einzuholen, sause ich erneut los. In meiner Begeisterung verliere ich noch einmal das Gleichgewicht, schaffe es aber, mich auf den Kufen zu halten. Lachend greife ich nach seinem Arm und fühle mich wie damals als Kind, wenn wir auf dem Spielplatz Fangen spielten.
»Ich hab dich!«, grinse ich. Er nimmt meine Hand, und gemeinsam gleiten wir eine weitere Runde. Am liebsten würde ich ihn nie mehr loslassen.
»Danke!«, sage ich. »Ach, Guy, das ist einfach unglaublich! Ich fühle mich so unbeschwert wie mit zehn Jahren.«
*
Den restlichen Tag verbringen wir mit einem langen Hundespaziergang im Park und viel zu viel Kaffee.
Am späten Nachmittag fahren wir in Guys klapprigem Lieferwagen in seine Lieblingsgärtnerei außerhalb von London,weil er schon einige Pflanzen für einen neuen Auftrag im Frühling aussuchen will.
Im Gartencenter wird Guy zu einem völlig anderen Menschen. Aufgeregt läuft er umher und zeigt mir Pflanzen, die er ganz besonders liebt.
»Die Namen spielen keine Rolle, Gilly. Wichtig ist, wie sie aussehen«, sagt er, als ich nachfrage.
Er erzählt mir, er habe als Schüler sein Taschengeld in einer Gärtnerei verdient, indem er Lastwagen mit Geranien und Lupinen belud. Damals entdeckte er seine Liebe zu Blumen.
»Meine Kundin wünscht sich im Sommer einen Blumenteppich«, erklärt er. »Also muss ich verschiedene Arten aussuchen und sie miteinander kombinieren. Das macht riesigen Spaß.«
Auf dem Heimweg wirft Guy mir einen Seitenblick zu. Er stellt fest, dass ich sehr ruhig sei, und fragt, woran ich denke.
»Daran, wie blöd ich gewesen bin«, gebe ich zu. »Ich habe gespürt, dass mit Jack irgendetwas nicht stimmt, aber ich wollte es nicht wahrhaben. Ich habe mich dazu gezwungen, mir weniger Sorgen zu machen und die Gegenwart zu genießen – mich einfach fallen zu lassen. Aber selbst Dennis hatte es vor mir begriffen.«
»Wer ist Dennis?«
»So ein Typ«, antworte ich.
»Schon gut, ich frage nicht weiter«, lächelt Guy. »Du solltest immer deinem Instinkt folgen, dann liegst du meist richtig.«
Ich nicke. »Trotzdem hätte ich nicht damit gerechnet, dass er Nancy wirklich küsst.« Ich breche ab, weil mir klar wird, wie lächerlich das klingt. »Aber wenn ich ehrlich bin, wusste ich längst, dass es zwischen uns nie funktionieren würde. Er war zu verschlossen und tat zu geheimnisvoll. Irgendetwas stimmt mit ihm nicht.«
Guy blickt nachdenklich drein.
»Was ist?«, frage ich.
»Wir könnten Jack doch heute Abend nach Hause folgen.«
»Ihm folgen? Aber warum?«
»Du hast doch gerade selbst gesagt, dass er immer so ausweichend war, wenn du ihn nach seinem Privatleben gefragt hast. Und er hat dich auch nie zu sich eingeladen. Wer weiß, ob er wirklich in Bath wohnt? Möglicherweise ist er verheiratet und führt ein Doppelleben.«
»Er ist nicht verheiratet.«
»Wenn wir ihm folgen, werden wir es herausfinden.«
»Nein.«
»Was hast du heute Abend vor?«
»Ich bleibe zu Hause, Guy. Wegen dieses Mannes werde ich doch nicht zur Stalkerin.«
»Mensch, Gilly! Willst du etwa nicht wissen, ob er wirklich derjenige ist, für den er sich ausgegeben hat? Und wenn wir nichts Schlimmes herausfinden – umso besser. Dann wissen wir es, und du brauchst dich nie wieder mit ihm zu beschäftigen.«
»Ich glaube, er ist mir jetzt schon ziemlich egal.«
Aber Guy hört mir nicht zu. »Ich finde, wir sollten es tun.«
»Unmöglich. Du bist vollends verrückt!«, schimpfe ich. Dann, nach einer Pause: »Und was ist, wenn er uns sieht?«
*
Wir parken vor meinem Haus und beobachten, wie Jack Nummer 21 betritt.
Ich fühle mich hin- und hergerissen. Sollte ich vielleicht doch aussteigen und ihn zur Rede
Weitere Kostenlose Bücher