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Kein Öl, Moses

Kein Öl, Moses

Titel: Kein Öl, Moses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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hatten, bis sie zu jenen geistigen Höhen emporgestiegen waren, denen sie jetzt den Beifall und die Bewunderung aller Anwesenden verdankten.
    Auf der Bühne hatte die Endrunde begonnen. Soeben machte sich Ing. Glanz an die Lösung eines scheinbar übermenschlichen Problems:
    »Wenn man eine Nadel durch die dritte Ziffer der vierten Zeile der zweiten Spalte auf Seite 421 steckt, welche Ziffern würde sie auf den folgenden Seiten durchdringen?«
    Ing. Glanz kam bis Petach-Tikwah, Seite 505. Dort war die Nadel zu Ende.
    Das Publikum hielt den Atem an. Als die letzte richtige Ziffer durchkam, brach ein Sturm von Bravo- und Hochrufen aus. Mein Nachbar flüsterte: »Gepriesen sei der Ewige!« Einige Zuschauer weinten.
    Der Rektor bat um Ruhe. Bevor er die Namen der Sieger bekanntgebe, wolle er noch eine vom Ministerpräsidenten eingesandte Frage stellen. Sie lautete:
    »Wie macht man einen Telefonanruf?«
    Die vier Champions verfielen in betretenes Schweigen. Towah murmelte etwas von Löchern und Steckkontakten, aber es war klar, daß keiner der vier die richtige Antwort wußte. Nach einigem Getuschel erhob sich der Dichter Tola'at-Shani und gab im eigenen sowie im Namen seiner Mitspieler bekannt, daß die Frage über den Rahmen der hier veranstalteten Konkurrenz hinausginge, da sie nicht in Ziffern zu beantworten war. Die Unruhe, die sich des Publikums zu bemächtigen drohte, wurde vom Vorsitzenden der Jury geschickt abgefangen, indem er Ing. Glanz zum »Telefonbuch-Meister des Jahres« proklamierte und Towah mit dem zweiten Preis auszeichnete. In einem wilden Ausbruch von Begeisterung stürmte die Menge das Podium und trug ihre Idole auf den Schultern hinaus.
    Ich wollte zu Hause anrufen, um der besten Ehefrau von allen das Ergebnis mitzuteilen, aber ich hatte meine Nummer vergessen.

Richtige Nummer - falsch verbunden
    Vor ein paar Monaten mußte ich plötzlich feststellen, daß die Umwelt ihre Einstellung zu mir geändert hatte. Gute Bekannte hörten auf, mich zu grüßen, oder wechselten im Kaffeehaus, wenn ich mich zu ihnen setzen wollte, den Tisch - kurzum: Wo immer ich ging und stand, umgab mich ein dichter Nebel von Feindseligkeit. Die beste Ehefrau von allen behauptete, daß mein miserabler Charakter daran schuld wäre, und ich hätte ihr beinahe zugestimmt, weil ich bei näherer Betrachtung ja wirklich ein widerwärtiger Mensch bin... Bis mich ein Zufall auf die Lösung des unheimlichen Rätsels brachte. Ich fand mich in ein Schicksal verwickelt, das noch düsterer war als die griechischeste aller antiken Tragödien. Unser Rundfunk hatte mich zusammen mit einem hervorragenden Wissenschaftler zu einer hervorragenden wissenschaftlichen Sendung eingeladen und ließ uns vom Studiowagen abholen, zuerst meinen Kollegen, dann mich. Als ich einstieg, begrüßte er mich mit einer Kälte, aus der sonst nur Spione zu kommen pflegen, aber keine Wissenschaftler. Minutenlang saß er stumm neben mir. Erst an einer Kreuzung, die uns zu längerem Aufenthalt nötigte, brach er sein eisiges Schweigen:
    »Eins sag ich Ihnen, Herr. Wäre dieses Programm nicht schon vor Wochen festgelegt worden, dann hätte ich aus der unverschämten Art, wie Sie mit meiner Frau am Telefon gesprochen haben, die Konsequenz gezogen und hätte es abgelehnt, mit Ihnen gemeinsam aufzutreten.« Bestürzt und ratlos sah ich ihn an. Verheiratete Frauen zu beleidigen, ist keine Leistung, auf die man stolz sein dürfte, am allerwenigsten, wenn man sich nicht erinnern kann, mit der betreffenden Dame überhaupt gesprochen zu haben. Demgemäß informierte ich meinen Kollegen, daß seine Gattin sich nicht auf der Liste jener Personen befand, die ich für telefonische Grobheiten vorgemerkt hatte.
    »Erzählen Sie mir nichts«, gab er wütend zurück. »Heute vormittag hat meine Frau bei Ihnen angerufen, um Sie zu fragen, wann der Wagen vom Studio käme. Sie empfahlen ihr, zum Teufel zu gehen, und fügten hinzu, daß Sie kein Informationsbüro sind. Halten Sie das für eine höfliche Antwort?«
    Ich fühlte mein Blut erstarren. Sollte es bei mir schon so weit sein? Noch kennt und schätzt mich die Welt als hochgradig produktiven Schriftsteller... und in Wahrheit durchrieselt mich bereits der Kalk der Senilität. Bei allem, was mir heilig ist - und das ist wenig genug -, hätte ich schwören können, daß ich noch nie im Leben mit der Gattin meines Programmpartners ein Telefongespräch geführt hatte. Außerdem war ich heute vormittag gar nicht zu Hause. Was ging

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