Kein Öl, Moses
hier vor?
»Ihre Frau hat mich angerufen?« fragte ich. »Jawohl. Heute vormittag.«
»Zu Hause?«
»Wo denn sonst? Und Ihre Nummer hatte sie aus dem Telefonbuch.«
An dieser Stelle begann sich das Geheimnis zu entschleiern. An dieser Stelle entdeckte ich meinen Doppelgänger, mein gestohlenes Ich. Wäre das Ganze ein Kriminalfilm, er hieße: »Der Mann, der zweimal war«, und Richard Burton würde die Hauptrolle spielen. Da es sich jedoch um ein simples menschliches Drama handelt, sei hiermit klargestellt, daß es das Israelische Postministerium war, das diese infame Persönlichkeitsspaltung an mir vorgenommen hat.
Wie man weiß, ist unser Postministerium keineswegs konservativ und wünscht seinem fortschrittlichen Ruf vor allem dadurch gerecht zu werden, daß es alle paar Monate einen Teil der Telefonnummern ändert. Es beruft sich dabei auf die fortschreitende Automatisierung des Telefonnetzes, die hauptsächlich darin besteht, daß beispielsweise alle mit 37 beginnenden Nummern plötzlich mit 6 beginnen und alle mit 6 beginnenden plötzlich mit 37. Ich spreche aus Erfahrung. Meine eigene Nummer wurde im Verlauf der letzten drei Jahre dreimal in ihr Gegenteil verwandelt, unter strikter Beobachtung der ungeschriebenen Gesetze des hebräischen Post- und Telefonverkehrs, die folgendermaßen lauten:
1. Du sollst im voraus keine Daten und Details angeben. Du sollst lediglich verlautbaren, daß »in der nächsten Zeit eine Anzahl von Telefonnummern geändert wird«.
2. Du sollst diese Änderungen immer kurz nach Erscheinen des neuen Telefonbuchs durchführen.
Aus diesen beiden Fundamentalgesetzen ergeben sich eine Unmenge vergeblicher Telefonanrufe und eine beträchtliche Steigerung der Einnahmen für das Postministerium. Mein eigener Fall ist ein gutes Beispiel dafür. Der Anrufer hat dem jetzt gültigen Telefonbuch meine Nummer entnommen, wählt die Anfangsziffer 44 und noch vier weitere Ziffern dazu und fragt:
»Ist Herr Kishon zu Hause?« Worauf er die Antwort bekommt:
»Nicht für Sie.«
Als nächstes hört er das »Klick«, das vom abrupten Auflegen des Hörers herrührt, und der den Hörer aufgelegt hat, bin natürlich nicht ich. Es ist der Teilnehmer, der beim letzten Nummernwechselspiel meine Nummer bekommen hat. Und man kann ihm nicht einmal jede Sympathie versagen. Zweifellos hat er auf die ersten irrigen Anrufe noch sehr höflich reagiert. Aber nach einiger Zeit wurde es ihm zuviel, und seine Antworten wurden immer kürzer:
»Bedaure, Herr Kishon ist verreist.«
»Herr Kishon wurde verhaftet.«
»Kishon ist tot.« - Dann kommt das bewußte Klick.
Einer meiner Freunde berichtete mir, daß er drei Tage lang eine Verzweiflungsschlacht mit meinem Doppelgänger ausgefochten hatte und von ihm in einer Weise beschimpft wurde, die sich mit meinem Charakter einfach nicht vereinbaren ließ. Das brachte ihn endlich auf die Vermutung, daß er tatsächlich nicht mit mir sprach. Er fragte nach meiner neuen Telefonnummer und bekam von der alten folgendes zu hören:
»Sie wollen Kishons neue Nummer haben, Herr? Dann stecken Sie doch bitte Ihren rechten Zeigefinger in das kleine Loch Ihrer Drehscheibe, das durch die Ziffer l gekennzeichnet ist, dann in das Loch mit der Ziffer 2, und dann sind Sie mit dem Kundendienst verbunden, den Sie nach der neuen Nummer von Kishon fragen können. Ich, lieber Herr, habe nicht die Zeit, jedem hergelaufenen Plappermaul mit Auskünften zu dienen, das merken Sie ja.«
Klick.
Aber wer wollte ihm das übelnehmen. Es wäre ja wirklich zuviel von ihm verlangt, jedem Anrufer immer wieder zu sagen: »Kishons Nummer beginnt jetzt mit 41.« Der Mann ist schließlich keine Maschine. Schwer zu entscheiden, gegen wen er seinen Haß richten soll: gegen mich, dessen Nummer geändert wurde, oder gegen die Anrufer, die das nicht wissen. Wahrscheinlich verteilt Herr Klick seine Abneigung gleichmäßig auf beide Parteien. In der letzten Zeit antwortet er überhaupt nicht mehr, sondern legt den Hörer wortlos auf. Und im Grunde geschieht den Anrufern ganz recht. Wer dumm genug ist, eine im Telefonbuch verzeichnete Nummer zu wählen, hat sich alles weitere selbst zuzuschreiben.
Wie ich von meinen erfolglosen Kontaktsuchern höre, verhält sich Frau Klick ein wenig menschlicher als ihr Mann:
»Falsch verbunden, rufen Sie die Auskunft!« sagt sie unwirsch. Aber sie sagt es.
Daß sie oder er dem Irrläufer meine neue Nummer verraten, hat sich noch nie ereignet. Und bei der Auskunft
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