Kein Öl, Moses
sind im Augenblick alle Nummern besetzt, werden Sie bitte nicht ungeduldig, auch wenn der Augenblick eine Ewigkeit dauert. Unsere Telefonverwaltung hat einen neuen elektronischen Apparat eingerichtet, der dafür sorgen soll, daß die Auskunft nicht ununterbrochen besetzt ist. Bisher war die Sorge vergebens.
Seit einigen Wochen hat mein Doppelgänger seine Antworten auf ein absolutes Minimum reduziert. Er sagt: »Krepier!« und macht klick.
Das spricht sich natürlich herum. Die halbe Stadt ist sich darüber einig, daß ich ein arroganter, ungezogener Flegel bin und obendrein nicht ganz richtig im Kopf. Manchmal pirscht sich auf der Straße jemand an mich heran und zischt mir ein Schimpfwort ins Ohr. Dann weiß ich, daß er in die Kategorie 44-41 fällt.
Das Postministerium hat gegeben, das Postministerium hat genommen, fern sei es mir, mit ihm zu hadern.
Nächste Woche kann ich mich wieder in aller Öffentlichkeit zeigen. Nächste Woche erscheint das neue Telefonbuch, das meine richtige Nummer angibt. Genauer gesagt: meine vorübergehend richtige Nummer. Denn sie wird kurz nach Erscheinen des neuen Telefonbuchs automatisch geändert werden.
Gottes eigene Mafia
Der Überfall auf das Bankhaus Forklewitsch war kein gewöhnlicher Bankraub.
Die Räuber, vier bärtige Männer in langen chassidischen Kaftans, steuerten geradewegs auf das Büro des Chefs zu. Dort erfolgte zunächst ein heftiger Wortwechsel zwischen Herrn Theodor Forklewitsch und seinem Schwager Rabbi Zalman, dem Anführer der Bande. Hierauf fesselten die vier Chassidim den Bankier an seinen Stuhl und stürmten den Kassenraum. Der Kassierer unterließ nach einigen kräftigen Keulenschlägen auf seine Schädeldecke jeden Widerstand und mußte hilflos zusehen, wie die Räuber den Safe entleerten und sich mit 860000 Shekel in bar davonmachten.
Zugleich mit der Kunde von dem Raubüberfall verbreitete sich die Interpretation, daß er auf einen Familienzwist zurückzuführen war. Jedenfalls berichteten die Schüler des Rabbi von einer schweren Verstimmung zwischen dem gottlosen Bankier und seinem frommen Schwestermann, wobei der Zinsfuß, den die Bank für ihre Darlehen berechnete, eine entscheidende Rolle spielte. Rabbi Zalman hatte seinen Schwager wiederholt wissen lassen, daß er ein solches Verhalten in seiner Familie nicht dulden würde und hatte - gemäß der rabbinischen Vorschrift, die da besagt: »Wer sich durch seine Handlungsweise einer Strafe aussetzt, hat Anspruch darauf, gewarnt zu werden« - über dem Eingang zur Forklewitsch-Bank ein großes Transparent angebracht: »Du sollst von deinem Nächsten nicht Wucher noch Übersatz nehmen (Leviticus 25, 36).« Seine Warnung stieß indessen auf taube Ohren. Die Forklewitsch-Bank führ fort, Geld gegen Zinsen zu verleihen, wie jede andere Bank im Lande auch. Und dafür wurde sie jetzt bestraft.
Kein Wunder, daß sich daraufhin das Verhältnis zwischen den beiden Hauptbeteiligten noch weiter verschlechterte. Forklewitsch rief seine Schwester an und bat sie, bei ihrem Gatten zu intervenieren. Rabbi Zalmans einzige Antwort war ein Zitat aus dem Buch der Bücher: »Wenn du Geld leihest meinem Volke, das arm ist bei dir, so bringe es nicht zu Schaden und lege ihm keine Zinsen auf (Exodus 22, 25).«
Es war ein böses Dilemma, in dem sich Herr Forklewitsch befand. Auf der einen Seite sein Schwager, der sich dank seiner Gottesfurcht und seinem frommen Festhalten an den traditionellen Werten des Judentums allseits hohen Ansehens erfreute - auf der ändern Seite seine Bank, die mangels flüssiger Zahlungsmittel in Schwierigkeiten zu geraten drohte. Einige Persönlichkeiten des orthodoxen Lagers, die Forklewitsch um Fürsprache bat, zeigten zwar ein gewisses Verständnis für seine Lage, machten aber kein Hehl daraus, daß sie ihn für den eigentlich Schuldigen hielten, und verwiesen ihn auf die Talmudlegende vom Kamel, das Hörner haben wollte und statt dessen einen Buckel bekam. Schließlich gaben sie ihm den Rat, sich mit der Bitte um eine Subvention an die Regierung zu wenden. Forklewitsch, der für Abenteuer nichts übrig hatte, bedankte sich fluchend und entschloß sich zu einem ebenso unjüdischen wie unbrüderlichen Schritt: Er verständigte die Polizei.
Die Polizei zögerte. Offensichtlich wollte sie sich in eine Familienaffäre mit religiösem Hintergrund nicht einmischen. Erst als Forklewitsch immer dringlicher eine gesetzliche Behandlung des Falles verlangte, wurde Rabbi Zalman zu einem
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