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Kein Öl, Moses

Kein Öl, Moses

Titel: Kein Öl, Moses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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steht im Buch der Prediger l, 6: »Und es wandelten sich die Dinge aufs neue.« Oder so ähnlich.

Ferner auf dem Programm
    Vor ungefähr einer Woche bekamen alle Hausbewohner farbige Flugzettel unter die Türe geschoben, auf denen für Mittwoch, 19 Uhr, eine Massenveranstaltung in unserem Wohnblock angekündigt wurde, ich weiß nicht mehr, von welcher Partei. Als Redner waren die Herren Mogilewski und Karpat vorgesehen. Ferner auf dem Programm: Gershom Schulz, der beliebte Schlagersänger. Eintritt frei, jedermann willkommen, besonders Spender.
    Die gesamte Bewohnerschaft entschloß sich zum Besuch der Veranstaltung, und zwar wegen Schulz. Schulz erfreut sich allseitiger Beliebtheit und hat ein paar besonders erfolgreiche Nummern in seinem Repertoire, zum Beispiel »Küß mich, Liebling« oder »Hab mich lieb, Baby«; man bekommt sie auch sehr oft im Rundfunk zu hören.
    Ich machte mich rechtzeitig auf den Weg, um einen Sitz möglichst nahe bei Schulz zu ergattern, fand aber die ersten Reihen schon dicht besetzt, hauptsächlich von Angehörigen des weiblichen Geschlechts. Denn Gershom Schulz singt nicht nur sehr hübsch, er ist auch persönlich sehr anziehend und verfügt über eine gut ausgebildete Technik, den anwesenden Damen während des Singens feurige Blicke zuzuwerfen.
    Der Abend begann mit einstündiger Verspätung, weil das Mikrofon, das man endlich herbeigeschafft hatte, zuerst nicht funktionieren wollte. Nach einer Stunde wollte es. Hinter dem Tisch auf dem Podium nahmen nunmehr drei männliche Gestalten Platz, die niemand kannte. Gershorn Schulz befand sich nicht unter ihnen. Zur allgemeinen Enttäuschung erhob sich einer der drei Fremden, vermutlich der Vorsitzende und begann:
    »Meine Damen und Herren, Veteranen und Neueinwanderer, liebe Freunde! Sie haben sich heute abend hier versammelt, um von uns zu hören, wofür unsere Partei steht, was sie anstrebt, was ihr Programm ist...«
    »Wo ist das musikalische Programm?« rief aus einer der letzten Reihen ein brillentragender Jüngling. »Wo ist Schulz?«
    »Bravo!« Das war ein junges Mädchen in der ersten Reihe. »Schulz aufs Podium!«
    Der Sprecher tat, als hätte er noch nie etwas von Schulz gehört, zumindest in den letzten Sekunden nicht, und wollte uns weiter darüber aufklären, warum wir uns heute abend hier versammelt hatten. Aber seine Worte wurden von immer neuen Rufen nach Schulz übertönt. Schließlich mußte er nachgeben:
    »Herr Schulz hält sich bereits in unserer unmittelbaren Nachbarschaft auf und wird das musikalische Programm des Abends bestreiten.«
    Allgemeiner Applaus belohnte diese verheißungsvolle Mitteilung und legte Zeugnis für die Beliebtheit des populären Schlagersängers ab. Der Redner nützte den plötzlichen Enthusiasmus, um in raschem Tempo über die Interessen der Nation zu sprechen und ein paar Schmähungen gegen alle anderen Parteien anzubringen. Den Sänger Schulz erwähnte er mit keinem Wort, was allmählich neue Unruhe hervorrief:
    »Wo bleibt Schulz... Vielleicht kommt er gar nicht... Es wäre nicht das erstemal... Er ist ja sehr beliebt und viel beschäftigt... Wenn Schulz nicht kommt, hat der ganze Abend keinen Wert... «
    Tatsächlich schickten sich einige Besucher aus den hinteren Reihen zum Verlassen des Saales an, gerade als der Vorsitzende die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Stabilisierung hervorhob:
    »Wir brauchen auch eine bessere Kulturpolitik«, rief er geistesgegenwärtig. »Wir müssen unseren Schriftstellern bessere Arbeitsmöglichkeiten schaffen, wir müssen aber auch für unsere Sänger etwas tun, zum Beispiel für Gershom Schulz, der in wenigen Minuten erscheinen wird, um uns seine schönsten Lieder hören zu lassen.«
    Die ungeduldig Gewordenen nahmen ihre Plätze ein, und der Redner sprach noch viele Minuten lang weiter. Den Abschluß bildete die herkömmliche Wendung:
    »Hat jemand eine Frage?«
    »Jawohl.« In der zweiten Reihe erhob sich eine distinguiert aussehende Dame. »Wo ist Schulz? Sie haben uns Schulz versprochen!«
    »Ganz richtig«, bestätigte der Vorsitzende. »Und Herr Schulz wird ja auch in wenigen Minuten erscheinen, um uns aus seinem reichhaltigen Repertoire etwas vorzutragen. Bis dahin möchte ich Herrn Karpat das Wort erteilen, der Ihnen einiges über die israelische Außenpolitik zu sagen hat.«
    Karpat konnte von dem erteilten Wort keinen Gebrauch machen. Von allen Seiten drangen Rufe auf ihn ein:
    »Wir sind nicht neugierig... Erst Schulz, dann Karpat... Wir

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