Kein Öl, Moses
als ein Jahr seit dem Bankraub vergangen war und obwohl er mit seiner läppischen Beharrlichkeit aller Welt auf die Nerven ging. Das kam sogar von Seiten der Regierungspartei zum Ausdruck, als einer ihrer Mandatare in der Eröffnungsrede eines Sozialistischen Seminars erklärte:
»Ein Banküberfall mag sündig sein, aber >die Liebe löschet alle Sünden aus< (Sprüche der Väter 10,12).«
Die Affäre ging in ihr zweites Jahr, ohne daß eine Lösung in Sicht gekommen wäre. Gewiß, Theodor Forklewitsch war als geheilt aus der Psychiatrischen Klinik entlassen worden, aber sein seelisches Gleichgewicht schien noch immer gestört. Anders ließ sich nicht erklären, daß er den Kampf um sein gestohlenes Geld wieder aufnahm.
Plötzlich trat eine Wende ein. Die Rathauskoalition in Tel Aviv ging in die Brüche, Rabbi Zalman wurde in Untersuchungshaft genommen und das Verfahren gegen ihn offiziell eingeleitet. Die Anklage lautete auf bewaffneten Raub, Störung der öffentlichen Ordnung und Steuerhinterziehung - Delikte, die für insgesamt 25 Jahre gut waren. Trotz wiederholter Befragung gab Rabbi Zalman an, nicht zu wissen, wo sich das Geld befände; möglicherweise sei es ins Ausland geschafft worden. Ein Nummernverzeichnis der Banknoten ging sofort an die Interpol.
Der Zorn der Bevölkerung richtete sich gegen Theodor Forklewitsch, weil er seinen eigenen Schwager hinter Gitter gebracht hatte, und legte sich erst, als der Rabbi entlassen wurde; denn wie es im Talmud heißt, kann niemand Zeugnis ablegen wider sein eigen Fleisch und Blut einschließlich des angeheirateten. Der Entlassene vollführte mit seinen Anhängern einen chassidischen Freudentanz, der zugleich das Wiedererstehen der Rathauskoalition von Tel Aviv feierte.
Obwohl Rabbi Zalman für den Mann auf der Straße bereits zum Symbol des Widerstandes gegen die Kräfte der Unterdrückung geworden war, blieb die Polizeiakte gegen ihn in der Schwebe. Forklewitsch wurde von seinen sämtlichen Familienmitgliedern bedrängt, die Klage zurückzuziehen. Sie beriefen sich dabei auf Samuel 24, 14: »Nach wem zielest du? Nach einem toten Hund? Nach einem Floh? Nach dreieinhalb Jahren?«
»Aber man hat mir 860000 Shekel gestohlen«, beharrte Forklewitsch, der unbelehrbare Fanatiker.
Endlich überredete man ihn, ein Schiedsgericht aus drei neutralen Rabbinern zu akzeptieren. Die Rabbiner berieten sechs Monate lang, prüften alle Aspekte der einschlägigen Stellen aus Bibel und Talmud samt Kommentaren und Exegesen - und kamen zu dem überraschenden Schluß, daß die gestohlene Summe innerhalb von achtzehn Monaten zurückerstattet werden müsse.
Der Schiedsspruch ging von der Voraussetzung aus, daß das Geld nicht gestohlen, sondern gewissermaßen entlehnt worden sei, und daß in Übereinstimmung mit der allgemein gültigen Auslegung des betreffenden Verses in den Sprüchen der Väter »der Schuldner sich in den Dienst des Verleihers begibt«. Daraus folgt, daß Rabbi Zalman, wenn er das Geld nicht gestohlen, sondern nur entlehnt habe, als Schuldner und somit als Diener des Verleihers gelte und Rabbi Theodor als sein Herr. Da der Diener dem Herrn Gehorsam schuldet, und da Leviticus 19, 10 deutlich vorschreibt: »Du sollst nicht eine jede Beere deines Weinbergs auflesen«, folgt weiter, daß jeder Pfennig der 860000 Shekel vom Diener an den Herrn zurückzugeben ist, also an das Oberrabbinat, das nach eigenem Gutdünken über das Geld verfügen wird. Da jedoch andererseits Rabbi Theodor nach all der Unbill, die er seinen Mitmenschen verursacht hat, nicht unbestraft hingehen kann, soll er einen heiligen Eid ablegen, daß er »nie wieder Geld gegen Zinsen verleihen, noch am Sabbat rauchen, noch vom unreinen Getier essen wird, das da kreucht und fleucht, nicht vom Wiesel, nicht von der Maus und nicht von der Schildkröte«. Der Seufzer der Erleichterung, der daraufhin durchs Land ging, erwies sich als voreilig: Nach Ablauf der achtzehn Monate stellte sich heraus, daß das Geld nicht mehr vorhanden war. Rabbi Zalman beteuerte seine Absicht, es zurückzuerstatten, erklärte sich jedoch den eingetretenen Umständen gegenüber als machtlos. Einige Tage später brach im Rathaus eine neue Koalitionskrise aus. Die Polizei ging pflichtgemäß vor und verhaftete Rabbi Zalman, einen ehemaligen Minister und zwei Talmudstudenten. Auf alle vier warten schwere Strafen, vor denen sie nichts retten kann, es sei denn, daß sich eine neue Wende in der Koalitionspolitik ergibt, wie es geschrieben
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