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Kein Öl, Moses

Kein Öl, Moses

Titel: Kein Öl, Moses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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erreicht hat, die Schultern in einer Linie mit den Hüften. Ein markiger Tritt in den Hintern befördert den Neuling gegen die Wand. Da sich an dieser Stelle zufällig die Türe befindet, kommt er nicht mehr zurück.
    Ich beginne zu verstehen, warum diese Klasse so wenig Schüler hat.
    »Gideon behandelt uns mit Glacehandschuhen, weil wir Intellektuelle sind«, informiert mich der Innenarchitekt. »Sie sollten ihn mit den jungen Kibbuzniks erleben...«
    Je länger ich Gideon beobachte, desto klarer glaube ich zu erkennen, worin das Geheimnis des Karate besteht: Es ist der japanische Schrei. Eine Erinnerung an meine Schulzeit steigt in mir auf, an einen Knaben namens Tibor Gondos, der jede Klasse mindestens zweimal machen mußte. Und dabei war er nicht einmal ein besonders guter Fußballer. Aber als Raufbold war er sehr gut. Wenn er sich anschickte, jemanden zu verprügeln, verzerrte sich sein Gesicht mit den blutunterlaufenen Augen zu einer grauenhaften Grimasse, und wenn er dann wirklich losging, stieß er einen so furchtbaren Schrei aus, daß die meisten seiner Gegner sofort klein beigaben. Sie ahnten nicht, daß sie einem geborenen Karate-Meister unterlegen waren. Ein Wütender oder einer, der die Wut überzeugend spielen kann, ist jedem Gegner von vornherein überlegen. Danach richtet sich ja auch die Farbe des Gürtels. Der junge Neuling zum Beispiel wird lange einen blütenweißen Gürtel tragen...
    Noch ehe meine Überzeugung, daß alles vom richtigen Brüllen abhängt, sich gefestigt hat, belehrt mich der Innenarchitekt eines anderen:
    »Konzentration ist alles«, sagt er. »Eigentlich besteht das ganze Karate nur aus Konzentration. Vorige Woche provozierte Jobbi Katschkes, unser Schwergewichtsmeister im Ringen, einen Streit in einem Restaurant in Jaffa. Er war schon ein wenig betrunken. Und an wen geriet er? An ein Mitglied der japanischen Handelsdelegation, die zur Mustermesse nach Tel Aviv gekommen war. Er nannte ihn einen gelben Affen, schüttete ihm Bier ins Gesicht, schnitt Grimassen und benahm sich überhaupt wie ein Irrer. Der Japaner lächelte höflich und schwieg. Sie wissen ja, Japaner sehen wie Kinder aus, klein und zierlich, nichts als Haut und Knochen, man fürchtet sich, in die Suppe zu blasen, wenn einer in der Nähe ist, vielleicht bläst man ihn weg. So weit, so gut. Plötzlich macht Katschkes eine ordinäre Bemerkung zu einer Dame der japanischen Delegation. Da steht der kleine Japaner auf, ganz ruhig, macht einen Schritt zurück, verlegt sein Gewicht auf das linke Bein, hebt die rechte Hand ungefähr bis zur Hüfthöhe - und bevor man weiß, was geschieht, greift er in seine Tasche und bespritzt Katschkes aus einer Phiole mit Tränengas. Was soll ich Ihnen viel erzählen - unser Schwergewichtsmeister ist zu Boden gegangen und hat geheult wie ein kleines Kind. Hübsch, nicht?«
    »Sehr hübsch«, bestätigte ich. »Aber was hat das mit Karate zu tun?«
    »Katschkes hat Karate gelernt, aber er konnte sich nicht konzentrieren. Ganz wie ich sagte. Es hängt alles von der Konzentration ab...«
    In diesem Augenblick wurde mein Innenarchitekt von Gideon zu einer kleinen Demonstration gerufen, ungeachtet seines Rheumas, denn außer ihm war niemand mehr da. Unter diesen Umständen zog ich mich in den Duschraum zurück, wo ich ihn nachher zu treffen hoffte. Er kam nicht. Vielleicht war die Demonstration ein wenig zu lebhaft verlaufen.
    Ich verließ das Institut. Durch die offene Türe eines anderen Klassenzimmers sah ich Rüben Levkowitz mit einem braunen Gürtel um den Bauch.
    Auf dem Heimweg erstand ich einen Revolver und ein Insektenspray. Ich trainiere jetzt zu Hause. Mit einem brüllend hervorgestoßenen »Azanyad!« spritze ich die Flüssigkeit auf das Fenster, wobei ich die rechte Schulter in eine Linie mit meiner Hüfte bringe und das linke Bein gestreckt rotieren lasse. Seit
    gestern trage ich eine grüne Krawatte. Sie bezeichnet den vierten Grad des »Phiola«, der edlen Kunst der Selbstverteidigung gegen Karate.

Ich kam, sah und durfte nicht siegen
    Wir erziehen unsern Sohn Amir in athletischem Sinn und Geist. Wir halten ihn an, durch die Nase zu atmen, vitaminreiche Kost zu sich zu nehmen und seinen Kakao brav auszutrinken. Hingegen lassen wir es nicht zu, daß er sich bei Wind und Wetter draußen herumtreibt, an gesundheitsschädlichen Wettläufen teilnimmt, sich auf Ringkämpfe mit verwahrlosten Gassenjungen einläßt oder in einen idiotischen Fußball hineintritt. Sport ist in

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