Kein Öl, Moses
einem läppischen Dutzendgesicht, das ist alles. Wer singt hier? Hörst du Gesang?«
»Ja«, haucht die beste Ehefrau von allen und entschwebt. Zornig verlasse ich das Haus und kaufe zwei Eintrittskarten zum ersten Konzert. Ich möchte das Wunder persönlich in Augenschein nehmen.
Meine Frau schlingt die Arme um mich und küßt mich zum erstenmal seit vielen Stunden:
»Karten für Sinatra... für mich...!«
Und schon eilt sie zum Telefon, um ihre Schneiderin anzurufen. Sie kann doch nicht in alten Fetzen zu einem Sinatra-Konzert gehen, sagt sie.
»Natürlich nicht«, bestätige ich. »Wenn er dich in deinem neuen Kleid in der neunzehnten Reihe sitzen sieht, hört er sofort zu singen auf und -«
»Sprich keinen Unsinn. Niemand unterbricht sich mitten im Singen. Da sieht man, daß du nichts verstehst...«
Ich brachte Bilder von Marlon Brando, von Kirk Douglas und von Michelangelos »David« nach Hause. Sie wirkten nicht. Nur Frankie wirkt. Nur Frankie. »Sah Liebe jemals mit den Augen? Nein!« heißt es bei Shakespeare, der kein Frankophiler war.
Am nächsten Tag entnahm ich der Zeitung eine gute Nachricht und gab sie sofort an meine Frau weiter:
»Dein Liebling Frankenstein bestreitet nur das halbe Programm. Nur eine Stunde. Die andere Hälfte besteht aus Synagogalgesängen und jemenitischen Volksliedern. Was sagst du dazu?«
Die Antwort kam in beseligtem Flüsterton:
»Eine ganze Stunde mit Frankie... Wie schön...«
Ich nahm das Vergrößerungsglas zur Hand, das ich auf dem Heimweg gekauft hatte, und unterzog Frankieboys Photo einer genauen Prüfung:
»Seine Perücke scheint ein wenig verrutscht zu sein, findest du nicht?«
»Wen kümmert das? Außerdem singt er manche Nummern mit Hut.«
Mit Hut. Wie verführerisch. Wie sexy. Wahrscheinlich wurde der Hut eigens für ihn entworfen, mit Hilfe eines Seismographen, der die Schwingungen weiblicher Herzbeben genau registriert. Er hat ja auch eine ganze Schar von Hofschranzen und Hofschreibern um sich, von denen die Presse mit wahrheitsgemäßen Schilderungen seiner Liebesabenteuer versorgt wird. Überdies befinden sich in seinem Gefolge fünf junge Damen, die sich geschickt unter den Zuschauern verteilen und beim ersten halbwegs geeigneten Refrain in Ohnmacht fallen, was dann weitere Ohnmachtsanfälle im weiblichen Publikum auslöst.
Sein Privatflugzeug enthält ferner Ärzte, Wissenschaftler und Meinungsforscher, ein tragbares Elektronengehirn, einen Computer, Ton- und Stimmbänder, drei zusammenlegbare Leibwächter, einen Konteradmiral und zahlreiche Nullen, darunter ihn selbst.
Obwohl ich die Häusermauern unserer Stadt mit der Aufschrift FRANKIE GO HOME! bedeckt hatte, war das Konzert schon Tage zuvor ausverkauft.
Gestern verlautbarte die Tagespresse, daß Frankie nur eine halbe Stunde lang singen würde. Der Kinderchor von Ramat-Gan, die Tanzgruppe des Kibbuz Chefzibah und Rezitationen eines Cousins des Veranstalters würden das Programm ergänzen.
»Gut so«, stellte die beste Ehefrau von allen nüchtern fest. »Mehr als eine halbe Stunde mit Frankie könnte ich ohnehin nicht aushalten. Es wäre zu aufregend...«
Unter diesen Umständen verzichtete ich darauf, das Konzert zu besuchen. Meine Frau versteigerte die zweite Karte unter ihren Freundinnen. Für den Erlös kaufte sie sich ein Paar mondäne Schuhe (neuestes Modell), mehrere Flaschen Parfüm und eine neue Frisur.
Zum Abschluß dieses traurigen Kapitels gebe ich noch den wahren Grund bekannt, warum ich mich entschloß, zu Hause zu bleiben.
Es war ein Alptraum, der mich in der Nacht vor dem Konzert heimgesucht hatte:
Ich sah Frankie auf die Bühne kommen, umbrandet vom donnernden Applaus des überfüllten Saals... Er tritt an die Rampe... verbeugt sich... das Publikum springt von den Sitzen... Hochrufe erklingen, die Ovation will kein Ende nehmen... Frankie winkt, setzt das Lächeln Nr. 18 auf... Jetzt fallen die ersten Damen in Ohnmacht... Frankie winkt abermals... Und jetzt, was ist das, die Lichter gehen an, jetzt steigt er vom Podium herab und kommt direkt auf die neunzehnte Reihe zu ... nein, nicht auf mich, auf meine Frau... schon steht er vor ihr und sagt nur ein einziges Wort... »Komm!« sagt er, und seine erstklassigen Zähne blitzen... Die beste Ehefrau von allen erhebt sich schwankend... »Du mußt verstehen, Ephraim«, sagt sie... und verläßt an seinem Arm den Saal.
Ich sehe den beiden nach. Ein schönes Paar, das läßt sich nicht leugnen.
Wenn meine Frau nicht diese
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