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Kein Öl, Moses

Kein Öl, Moses

Titel: Kein Öl, Moses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Schwer atmend wandte meine Frau sich um. »Aber wie haben sie den Weg in unser Haus gefunden?«
    Solche Fragen kann natürlich nur die Ameisenkönigin beantworten. Die arbeitenden Massen vertrauen ihren Gewerkschaftsführern, erfüllen ihr Arbeitspensum und schleppen ab, was abzuschleppen ist.
    Nach einigen Tagen sorgfältiger Beobachtung kaufte meine Frau ein bestens empfohlenes Ameisenpulver und bestreute das Aufmarschterrain von der Hausschwelle bis zur Küche und weiter hinauf mit dem tödlichen Gift. Am nächsten Morgen kamen die Ameisen nur langsam vorwärts, weil sie die vielen kleinen Pulverhügel übersteigen mußten. Eine andere Wirkung zeigte sich nicht. Als nächstes setzten wir eine Insektenspritze ein. Die Vorhut fiel, die Hauptstreitkräfte marschierten weiter. »Sie sind sehr widerstandsfähig, das muß man ihnen lassen«, stellte meine psychologisch geschulte Gattin fest und wusch die ganze Küche mit Karbol. Zwei Tage lang blieben die Ameisen weg. Wir auch. Nach Abschluß der kurzen Feier erschienen die Ameisenregimenter in voller Stärke und legten noch größeren Eifer an den Tag als zuvor. Unter anderem entdecken sie den Tiegel mit dem Hustensirup. Sie haben nie wieder gehustet.
    Die beste Ehefrau von allen distanzierte sich von ihren anfangs verkündeten Grundsätzen und begann, die Ameisen einzeln zu töten, Tausende an jedem Morgen. Dann ließ sie es sein.
    »Es kommen immer neue«, seufzte sie. »Eine unerschöpfliche Masse. Wie die Chinesen.«
    Irgend jemand gab ihr einen Tip: Angeblich können Ameisen den Geruch von Gurken nicht vertragen. Am nächsten Tag war unsere Küche mit Gurken gepflastert, aber die Ameisen hatten die Neuigkeit offenbar nicht gehört und nahmen ihren Weg nach kurzem Schnuppern zwischen den Gurken hindurch. Einige kicherten sogar. Wir riefen das Gesundheitsamt an und baten um Rat:
    »Was tut man, um Ameisen loszuwerden?«
    »Das möchte ich selbst gerne wissen«, antwortete der Beamte. »Ich habe die Küche voller Ameisen.«
    Nach ein paar weiteren, kläglich gescheiterten Abwehrversuchen entschlossen wir uns, den ungleichen Kampf aufzugeben. Während wir frühstücken, zieht die Ameisenprozession an uns vorüber und nimmt die gewohnten Stellungen ein, ohne uns weiter zu stören. Wir brauchen uns nicht darum zu kümmern, ob alles in Ordnung ist. Es ist alles in Ordnung. Die Ameisen gehören zum Haus. Sie kennen uns bereits und behandeln uns mit reservierter Höflichkeit, wie es unter Gegnern, die gelernt haben, einander zu respektieren, zur Tradition gehört. Es ist ein nachahmenswertes Beispiel friedlicher Koexistenz.

Maß für Maß
    Eine ausgewählte Schar von Gästen hatte sich in unserer Wohnung versammelt, lauter hochklassige, gebildete, intelligente Persönlichkeiten: Dr. Schoschana, der angesehene Internist, Joseph Mogilewski, der allseits geschätzte Ästhet, Ivan Berez-Tap, der bekannte Zeitungsherausgeber, und einer unserer Kibbuz-Freunde, der gerade einen Offizierskurs in Tel Aviv absolvierte.
    Seit Jahren hatte mich die beste Ehefrau von allen geplagt, ein paar nette, wichtige Leute zu uns einzuladen. »Sonst verkümmern wir ja«, sagte sie immer wieder. »Wir müssen Anschluß an die maßgebenden Kreise finden.« Und jetzt war es endlich soweit.
    Dr. Schoschana begann die Unterhaltung, wobei er sogleich seine Weitläufigkeit durchschimmern ließ:
    »Ein hübscher, großer Raum, den Sie da haben. Viel größer als der städtische Durchschnitt. In den alten Häusern maßen die großen Zimmer bestenfalls 4,5 mal 4 mal 3,5 und die kleineren in der Regel nicht mehr als 3,2 mal 3 mal 3,5. Ihr Salon hingegen mißt, wie mir scheint, mindestens 5 mal 4,5 mal 3,5.«
    »Das glaube ich nicht«, widersprach Ivan Berez-Tap. »Mein Salon mit 4,5 mal 4,5 mal 3 kommt mir bedeutend größer vor als dieser hier. Aber das wird sich ja feststellen lassen.«
    Damit erhob er sich und, einen Fuß behutsam vor den anderen setzend, schritt oder besser trippelte er die Länge des Zimmers ab. Wir folgten ihm mit angehaltenem Atem. Das Resultat betrug 16 Schuh und l Absatz. Er gab es triumphierend bekannt.
    »Die Länge meines Schuhs«, erläuterte er, »ist 28 Zentimeter. Das heißt, daß dieses Zimmer nur 4,5 Meter lang ist.«
    Wir hätten uns mit dieser Auskunft des namhaften Publizisten glatt zufriedengegeben, aber da machte ihn seine Gattin
    Selma darauf aufmerksam, daß er heute nicht seine tatsächlich
    28 cm langen Schlangenlederschuhe trug, sondern die neuen schwarzen, die

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