Kein Öl, Moses
jedermanns Lippen ist. Demgegenüber hat kein noch so großartiger Roman es jemals erreicht, von einer Köchin geträllert zu werden.
Zweifellos kennen meine geneigten Leser den erfolgreichen »Cookie-Song«, die Nummer 2 der Gesamt-Hitparade des abgelaufenen Jahres. Es wird in unserem Land wohl kaum einen Menschen geben, der die muntere Weise mit dem ohrengängigen Text noch nicht vor sich hingesummt hätte. Wie wohltuend sich dieser Text von den sonstigen Produkten der Industrie unterscheidet, ersieht man aus dem folgenden Refrain:
Cookie, Cookie, Cookie, Cookie,
Du bist süß wie Zucki, Zucki Und dein blaues Augengucki Macht mich ganz verrückt!
Bitte schenk mir, Cookie, Cookie,
Noch ein Blicki, noch ein Blucki,
Sag mir Schnucki, Schnucki, Schnucki,
Dann bin ich beglückt!
Ein einfaches, anspruchsloses Lied, in sprachlicher Hinsicht vielleicht nicht ganz einwandfrei, aber dafür von einer kindhaften Liebenswürdigkeit und leicht zu behalten. Deshalb wird es auch mindestens zweimal täglich im Rundfunk gesendet.
Der Text ist von mir.
Ich hatte bis dahin noch nie einen Schlagertext geschrieben, weil ich nicht wußte, daß ich dafür begabt war. Es kommt ja oft genug vor, daß jemand seine eigene Begabung nicht kennt. Bernard Shaw zum Beispiel begann erst mit vierzig Jahren Theaterstücke zu schreiben. Und David mußte erst mit Goliath zusammentreffen, um zu entdecken, daß er ein besonderes Talent zum Steineschleudern besaß.
Vielleicht wäre auch aus mir niemals ein Textdichter geworden, wenn ich nicht die Gewohnheit hätte, bei längeren Gesprächen allerlei Sinnloses auf ein Papier zu kritzeln.
Es geschah auf der Terrasse eines Kaffeehauses in Tel Aviv. Wir sprachen über die amerikanische Jugend und ihren Mangel an Idealen, und während ich mein Scherflein Mißbilligung zum Gespräch beisteuerte, begann ich auf einer Papierserviette abstrakte Figuren zu entwerfen, zu denen sich alsbald nicht minder abstrakte Wortbildungen gesellten: Cookie... Zucki... Schnucki... Pucki...
Plötzlich fiel der Blick des bekannten Schlagerkomponisten Eli Distel auf die Serviette.
»Genial!« japste er. »Absolute Spitze!«
Er zog mich beiseite und ergänzte seinen Ausruf dahingehend, daß die von mir so achtlos hingeworfenen Letternfolgen das ideale Gerippe eines Schlagertextes darstellten, den ich nur noch ausarbeiten müßte. Er empfahl mir sogar, das unverzüglich zu tun.
»In jedem erfolgreichen Schlagertext gibt es nur ganz wenige Worte, die im Gedächtnis haftenbleiben«, fügte er hinzu. »Der Rest ist gleichgültig. Cookie-Zucki-Schnucki genügt.«
»Und was ist mit Pucki?« fragte ich.
»Es fällt ein wenig ab. Schnucki ist stärker. Fang an zu dichten!«
Trotz der kleinen Kränkung zog ich mich an einen freien Tisch zurück und schrieb in zehn Minuten den »Cookie-
Song«, der heute in aller Munde ist. Distel entschuldigte sich, daß der Markt im Augenblick ein wenig stagniere, und zahlte mir 1000 Shekel, was ich gar nicht so schlecht fand. Den wütenden Blicken des an unserem Tisch sitzenden PopsongTexters Uri Ben-Patisch legte ich weiter keine Bedeutung bei.
Am nächsten morgen bekam ich ein Telegramm:
»erwarte dich zwoelf uhr eingang zoo strengstes stillschweigen geboten benpatisch.«
Aus purer Neugier ging ich hin. Ben-Patisch verband mir die Augen mit einem Taschentuch und zerrte mich in einen Wagen, der sofort startete und ungefähr drei Stunden lang in gesetzwidrigem Tempo dahinsauste. Während dieser drei Stunden fiel kein einziges Wort.
Als wir endlich anhielten und Ben-Patisch mir die Augenbinde abnahm, standen wir vor einer einsamen Ruine in Obergaliläa. Wir traten ein.
In einem halbverfallenen Raum, der von einem flackernden Öllämpchen nur notdürftig erhellt wurde, erwarteten uns, um ein morsches Klavier geschart, drei weitere Pop-Lyriker.
»Nimm Platz«, sagte Ben-Patisch. »Und fürchte dich nicht. Du bist unter Freunden. Was du hier siehst, ist die israelische Popsong-Fabrikations-GesmbH, die insgesamt vier Mitglieder umfaßt.«
»Freut mich sehr.« Ich verbeugte mich in Richtung GesmbH.
»Wir vier haben bisher alle erfolgreichen Texte geschrieben«, eröffnete mir Ben-Patisch, und in seiner Stimme schwang deutlicher Unmut mit. »Jetzt, da auch du mit dem Schreiben angefangen hast, müssen wir dich in unsere Geheimorganisation aufnehmen.«
»Warum ist sie geheim?«
»Das kann ich dir erklären. Es gibt ein Geheimnis, das bisher nur vier Männern im ganzen Land bekannt war.
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