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Kein Opfer ist vergessen

Kein Opfer ist vergessen

Titel: Kein Opfer ist vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Harvey
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sie.
    »Das ist ja auch meine erste Parade. Ich bin aufgeregt.«
    »Was hast du da?« Ich zeigte auf die weiße Tragetasche zu ihren Füßen.
    Sarah holte mehrere graue Tuben heraus. »Was glaubst du denn?«
    »Was sind das für Tuben?«
    »Gesichtsfarbe. Rot, weiß und blau.«
    »O nein, kommt nicht infrage.«
    »O doch, schließlich haben wir den 4. Juli.«
    Ich schüttelte den Kopf, aber Sarah hatte schon eine Tube mit roter und eine mit blauer Farbe aufgeschraubt, drückte je einen Streifen heraus und schmierte sie auf ihre Wangen.
    »Sarah, ich wohne hier.«
    »Ach komm, sei kein Spielverderber.« Sie reichte mir die rote Farbe. »Bitte.«
    Ich drückte einen roten Klecks auf meinen Finger und fragte mich, auf was ich mich da eingelassen hatte. Aber vielleicht war es genau das, was ich brauchte.
    Eine halbe Stunde später standen wir auf der Central vor einem Diner namens Prairie Joe. Wir bekamen einen Tisch draußen. Sarah bestellte Huevos Rancheros, ich nahm das Rührei. Dazu gab es warme Tortillas und Kaffee. Es war kurz nach zehn Uhr, als der Kellner abgeräumt hatte. Die Straße begann sich bereits mit Leben zu füllen. Wir liefen umher und nahmen die Eindrücke in uns auf. Eltern, die in einer Hand einen Kaffeebecher von Starbucks hielten und mit der anderen einen Buggy schoben. Kids mit Baseball-Kappen, die Eis schleckten. Luftballons. Fahnen. Und bemalte Gesichter. Ich hatte mich breitschlagen lassen und versprochen, mich in einen rot-weiß-blau bemalten Idioten zu verwandeln, aber erst wenn die Parade richtig losging.
    Unterwegs traten wir in einen Antiquitätenladen, wo Sarah altes Silberbesteck und eine Holzkiste begutachtete. Danach wollte sie sich in dem Gewürzladen nebenan umschauen. Ich war noch nie in einem Gewürzladen gewesen, und das offenbar aus gutem Grund. Kaum war ich durch die Tür, fing ich an zu niesen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Sarah.
    Ich schüttelte den Kopf, zog mich nach draußen zurück und setzte mich auf eine freie Bank. Sarah kam mir nach.
    »Was ist das für ein Zeug in dem Laden?«, sagte ich.
    »Gewürze.«
    »Was für Gewürze?«
    »Auf einem Schild steht, dass sie acht Sorten Paprika haben.«
    »Großartig.«
    Ich blieb auf meiner Bank. Sarah kehrte in den Laden zurück und widmete sich den Paprika- und Pfeffersorten oder dem, was sie in dem fürchterlichen Laden sonst noch zermahlen hatten. Als sie herauskam, hatte sie eine kleine Tüte bei sich und wahrte Distanz.
    »Tut mir leid«, sagte sie.
    »Was hast du gekauft?«
    »Kumin, roten Pfeffer und Chilipulver. Gut für Tacos.«
    Wir liefen weiter. Die Sonne schien inzwischen hell und heiß. Irgendwo setzte eine Posaune ein. Die Parade begann. Ich besorgte jedem von uns einen Becher Eiscreme. Die Menschen lächelten uns zu, hauptsächlich wohl Sarah, aber ich erwiderte ihr Lächeln trotzdem. Sie hakte sich bei mir unter und schmiegte sich an mich.
    »Zeit für die Bemalung.«
    Ich lachte und ließ sie rote, weiße und blaue Streifen auf mein Gesicht schmieren und revanchierte mich anschließend. Danach verzierten wir noch ein paar Kinder, deren Eltern nicht in der Nähe waren, und schon ging es los. Als die Blaskapelle von Evanston erschien, johlten und applaudierten wir. Nach ihr kamen Einheiten der Polizei und der Feuerwehr und ein Uncle Sam auf einem hohen Fahrrad, der verrückte Kurven um das Maskottchen der Parade, Sparky the Firecracker, drehte. Ihm folgten geschmückte Wagen mit winkenden Kindern und alte Leute in Autos, die noch älter als sie waren. Der Gouverneur von Illinois blieb stehen und schüttelte meine Hand.
    Zwei Stunden lang harrten wir aus und bekamen einen Sonnenbrand. Einer aus der Menge reichte uns eine Tube mit Sonnencreme. Als alles vorüber war, steuerten wir ein Lokal namens Clarence auf der anderen Straßenseite an. Dort gab es einen Innenhof, in dem sich nach der Parade schon jede Menge Leute eingefunden hatte. Wir entdeckten einen freien Tisch, den Sarah in Beschlag nahm. Ich ging ins Lokal und kehrte mit zwei Gläsern Bier zurück. Sarah trank die Hälfte in einem Zug aus.
    »Und, hat es dir Spaß gemacht?«, fragte ich.
    »Es war klasse.« Sie tippte mit ihrem halbleeren Glas an meins. »Allerbesten Dank dafür.«
    »Geht man in Michigan nicht zur Parade?«
    »In Charlevoix findet eine statt. Die schauen wir uns in der Regel von unserem Boot aus an.«
    »Wie nett.«
    »Eigentlich nicht. Man hockt den ganzen Tag mit denselben sieben Leuten zusammen.«
    »Wenn es die richtigen sieben

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