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Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)

Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)

Titel: Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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überwältigt von der Flut aus Emo tionen und Erinnerungen. Wo ist er? , wollte ich fragen. War um ist er damals verschwunden? Und warum hat er sich nie bei Ruth gemeldet? Aber nichts davon bekam ich über die Lippen, ich konnte nur krächzen: »Daniel McCallum?«
    Sie stellte das Paket neben sich und nickte. »Er hat ein paarmal erwähnt, dass er Sie manchmal besucht hat. Ihre Frau hat ihm Nachhilfe gegeben.«
    »Und ... er ist Ihr Mann?«
    Sie wandte kurz die Augen ab und sah mich dann wieder an. »Er war mein Mann. Inzwischen bin ich neu verheiratet. Daniel ist vor sechzehn Jahren gestorben.«
    Bei ihren Worten wurde mir innerlich eiskalt. Ich versuchte auszurechnen, wie alt er bei seinem Tod gewesen war, schaffte es aber nicht. Mir war nur klar, dass er viel zu jung verstorben war. Sie musste mir angesehen haben, was ich dachte, denn sie erzählte weiter.
    »Er hatte ein Aneurysma. Es trat spontan auf, ohne irgend welche vorherigen Symptome. Die Ärzte konnten nichts tun.«
    Die Kälte breitete sich weiter in mir aus, bis ich das Gefühl hatte, völlig eingefroren zu sein.
    »Das tut mir leid«, sagte ich. Die Worte klangen in meinen eigenen Ohren unzulänglich.
    »Danke.« Erneut nickte sie. »Und mir tut es auch ehrlich leid, dass Sie Ihre Frau verloren haben.«
    Eine Weile lang herrschte eine drückende Stille. Schließlich breitete ich die Hände aus und fragte: »Was kann ich für Sie tun, Mrs ...«
    »Lockerby«, erinnerte sie mich und griff nach dem Paket. Sie schob es zu mir. »Ich wollte Ihnen das hier geben. Es stand jahrelang auf dem Dachboden meiner Eltern, und als sie das Haus vor ein paar Monaten verkauft haben, habe ich es in einer der Kisten gefunden, die sie mir schickten. Daniel war sehr stolz darauf, und es kam mir einfach nicht richtig vor, sein Bild wegzuwerfen.«
    »Ein Bild?«
    »Er hat einmal zu mir gesagt, dieses Bild gehöre zu den wichtigsten Dingen, die er je getan hat.«
    Es fiel mir schwer, ihr zu folgen. »Also hat Daniel etwas gemalt?«
    »Ja. In Tennessee, als er im Kinderheim wohnte. Ein Künstler, der dort ehrenamtlich arbeitete, hat ihm dabei geholfen.«
    »Bitte.« Ich hebe plötzlich die Hand. »Ich verstehe überhaupt nichts. Können Sie bitte ganz von vorn anfangen und mir mehr von Daniel erzählen? Meine Frau hat sich immer gefragt, was wohl aus ihm geworden ist.«
    Sie zögerte. »Besonders viel kann ich Ihnen gar nicht sagen. Wir haben uns erst auf dem College kennengelernt, und er hat nur selten über seine Vergangenheit gesprochen. Das ist alles lange her.«
    Ich blieb stumm, damit sie fortfuhr. Sie schien nach den richtigen Worten zu suchen und zupfte dabei am Saum ihrer Bluse. »Ich weiß nur das bisschen, was er mir erzählt hat. Seine Eltern sind früh gestorben, und danach wohnte er bei seinem Stiefbruder und dessen Frau hier in der Gegend, aber sie verloren ihren Bauernhof und zogen letzten Endes nach Knoxville, Tennessee. Eine Zeit lang haben sie zu dritt in ihrem Pick-up gewohnt, dann wurde der Stiefbruder wegen irgendetwas verhaftet, und Daniel kam ins Kinderheim. Dort war er so gut in der Schule, dass er ein Stipendium für die Universität von Tennessee erhielt. Wir haben uns in unserem letzten Studienjahr kennengelernt, wir hatten beide als Hauptfach Internationale Beziehungen. Jedenfalls haben wir ein paar Monate nach der Collegezeit, bevor wir zum Peace Corps gingen, geheiratet. Wie gesagt, er sprach nicht viel über seine Kindheit, es klang, als hätte er es schwer gehabt, und ich glaube, die Erinnerung daran war schmerzhaft für ihn.«
    Ich versuchte, das alles zu verdauen und mir Daniels Lebenslauf vorzustellen.
    »Wie war er denn?«, wollte ich schließlich wissen.
    »Daniel? Er war unglaublich klug und freundlich, aber gleichzeitig auch von einer großen Verbissenheit geprägt. So als habe er das Schlimmste erlebt, was das Leben zu bie ten hat, und sei fest entschlossen, die Welt zu verbessern. Er besaß Charisma, eine Überzeugungskraft, die einfach unwiderstehlich war. Wir verbrachten zwei Jahre mit dem Peace Corps in Kambodscha, und danach nahm er eine Stelle bei einer heimischen Hilfsorganisation an, und ich arbeitete in einer Poliklinik für Bedürftige und Obdachlose. Wir kauften ein kleines Haus und sprachen über unseren Kinderwunsch, doch nach einer Weile wurde uns klar, dass wir für das gesetzte Leben in einer Vorstadt noch nicht bereit waren. Also haben wir unsere Sachen verkauft, die Reste in Kartons gepackt und bei meinen Eltern

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