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Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)

Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)

Titel: Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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wollte sie sehen. Ich wollte mich wieder erinnern. Ich wollte dich sehen.«
    Ruth erwidert nichts, aber ich verstehe. Ruth hätte alles dafür gegeben, Daniel zu sehen, und wenn nur durch die Augen seiner Frau.
    N achdem ich Ruths Brief gelesen und ihr Porträt aufgehängt hatte, ging es mir Tag für Tag besser. Ich aß wieder regelmäßiger. Es sollte zwar über ein Jahr dauern, bis ich mein altes Gewicht wieder erreicht hatte, aber ich richtete mich in einem neuen Alltag ein. Und in jenem ersten Jahr nach Ruths Tod geschah ein weiteres Wunder – das dritte in einem ansonsten tragischen Jahr –, das mir half, zurück ins Leben zu finden.
    Denn noch eine unerwartete Besucherin stand eines Tages vor meiner Tür, dieses Mal eine ehemalige Schülerin von Ruth, die mir ihr Beileid aussprechen wollte. Sie hieß Jacqueline, und obwohl ich mich nicht an sie erinnerte, wollte auch sie sich gern mit mir unterhalten. Sie erzählte mir, wie viel Ruth ihr als Lehrerin bedeutet habe, und ehe sie ging, zeigte sie mir einen Nachruf, den sie verfasst hatte und der in der Lokalzeitung abgedruckt wurde. Er war sowohl schmeichelhaft als auch aufschlussreich, und sein Erscheinen löste eine Lawine aus. Im Laufe der folgenden Monate kamen die ehemaligen Schüler in Scharen zu Besuch. Lindsay und Madeline und Eric und Pete und zahllose andere, von denen die meisten mir unbekannt waren, tauchten bei mir auf und erzählten mir Geschichten aus der Zeit, als Ruth ihre Lehrerin gewesen war.
    Durch sie begriff ich, dass Ruth für viele Menschen der Schlüssel gewesen war, der ihnen die Tür zu ihren Möglichkeiten öffnete – ich war nur der erste gewesen.
    D ie Jahre nach Ruths Tod kann man wohl in vier Phasen einteilen. Die anfängliche Depression und meine Genesung davon stellten die erste dar; die Zeit, in der ich mich nach besten Kräften bemühte, mein Leben neu zu ordnen, die zweite. Die dritte Phase umfasste die Jahre nach dem Besuch der Reporterin 2005 , als ich Gitter vor die Fenster schrauben lassen musste. Erst vor drei Jahren jedoch legte ich endlich fest, was mit der Sammlung geschehen sollte, was zur vierten und letzten Phase führte.
    Nachlassplanung ist eine komplizierte Angelegenheit, doch im Wesentlichen lief es auf eines hinaus: Ich musste entscheiden, was aus unserem Besitz werden sollte, sonst würde am Ende der Staat für mich entscheiden. Howie Sanders hatte Ruth und mich schon lange gedrängt, uns darum zu kümmern. Er fragte, ob es irgendwelche Hilfsorganisationen gebe, die uns besonders am Herzen lägen, oder ob die Gemälde vielleicht einem bestimmten Museum geschenkt werden sollten. Vielleicht wollte ich sie ja auch lieber versteigern lassen und den Erlös einer Universität spenden? Nachdem der Artikel im New Yorker erschienen und der potenzielle Wert der Sammlung zum Thema wilder Spekulationen in der Kunstwelt geworden war, wurde Howie noch hartnäckiger, auch wenn zu dem Zeitpunkt nur noch ich ihm zuhören konnte.
    Erst 2008 willigte ich schließlich ein, in seine Kanzlei zu kommen.
    Er hatte vertrauliche Termine mit Kuratoren diverser Museen vereinbart: dem New Yorker Metropolitan Museum of Art, dem Museum of Modern Art, dem North Carolina Museum of Art und dem Whitney. Daneben mit Vertretern der Duke University, des Wake Forest College und der University of North Carolina in Chapel Hill. Es kamen Mitglieder der Anti-Defamation League und des United Jewish Appeal – zwei der jüdischen Lieblingsorganisationen meines Vaters – wie auch von Sotheby’s. Ich wurde in einen Konferenzraum geführt, man stellte sich vor, und in jede Miene stand die Neugier geschrieben, wie Ruth und ich, ein Herrenausstatter und eine Grundschullehrerin, es geschafft hatten, eine solch umfangreiche Privatsammlung moderner Kunst aufzubauen.
    Ich ließ eine Abfolge von Einzelpräsentationen über mich ergehen, und bei jeder wurde mir versichert, dass man jeglichen Teil der Sammlung, den ich in die betreffenden Hände legen würde, angemessen würdigen würde – beziehungsweise, im Fall des Auktionshauses, maximie ren. Die Hilfsorganisationen versprachen, das Geld den Zwecken zuzuführen, die mir und Ruth besonders wichtig waren.
    Am Ende dieses Tages war ich müde, und zu Hause schlief ich fast sofort im Wohnzimmersessel ein. Als ich aufwachte, fiel mein Blick auf das Gemälde von Ruth über dem Kamin, und ich fragte mich, was sie wohl gewollt hätte.
    »Aber ich habe es dir nicht gesagt«, stellt Ruth leise fest. Sie hat

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