Kein Ort ohne dich: Roman (German Edition)
kommen auch bald aufs College und ...«
Sie verstummte resigniert. Luke las offenbar ihre Gedanken und drängte sie nicht weiter. »Was machen deine Eltern?«, fragte er stattdessen.
»Sie betreiben ein Feinkostgeschäft. Käse- und Wurst spezialitäten. Frisch gebackenes Brot. Sandwichs und Suppen aus eigener Herstellung.«
»Gutes Essen?«
»Sehr gutes Essen.«
»Wenn ich jemals dort wäre, was sollte ich kaufen?«
»Eigentlich kannst du gar nichts falsch machen. Meine Mutter kocht eine großartige Champignonsuppe. Die mag ich am liebsten, aber berühmt sind wir vor allem für unsere Cheesesteaks. Mittags wartet immer eine lange Schlange, und die meisten kaufen das. Dafür haben wir so gar vor ein paar Jahren einen Preis gewonnen. Bestes Sandwich der Stadt.«
»Ehrlich?«
»Aber ja. Eine Zeitung hatte einen Wettbewerb mit Abstimmung veranstaltet. Mein Vater hat die Urkunde ge rahmt, und jetzt hängt sie gleich neben der Kasse. Vielleicht zeige ich sie dir eines Tages.«
Er legte die Hände zusammen und ahmte ihre Haltung von zuvor nach. »Nichts dagegen, Sophia.«
Sie lachte. Sie mochte, wie er ihren Namen aussprach, langsamer, als sie es gewohnt war, gleichzeitig weicher, die Silben rollten ihm melodisch von der Zunge. Obwohl sie sich nicht näher kannten, fühlte es sich aus unerfindlichen Gründen nicht so an. Sie lehnte sich an den Zaunpfosten.
»Diese anderen Männer, die vorhin dazukamen, bist du mit denen zusammen hier?«
Er blickte sich kurz zu den Rodeoreitern um, dann wandte er sich wieder an Sophia. »Nein. Eigentlich kenne ich nur einen von ihnen. Meine Freunde sind drinnen. Und starren wahrscheinlich deine Freundinnen an, wenn du es genau wissen willst.«
»Wieso bist du nicht auch dabei?«
Mit einem Finger schob er sich die Hutkrempe hoch. »War ich ja. Eine Weile lang zumindest. Aber ich war nicht zum Reden aufgelegt, deshalb bin ich nach draußen gegangen.«
»Jetzt redest du aber doch.«
»Ja, das stimmt.« Er grinste verlegen. »Außer dem, was ich schon gesagt habe, gibt es aber nicht viel zu erzählen. Ich reite Bullen und arbeite auf unserer Ranch. Mein Leben ist nicht so wahnsinnig spannend.«
Sie musterte ihn. »Dann erzähl mir etwas, was du normalerweise nicht erzählst.«
»Zum Beispiel?«, fragte er misstrauisch.
»Egal was.« Sie hob die Hände. »Woran hast du vorhin gedacht, als du allein da drüben standest?«
Luke trat unbehaglich aufs andere Bein und wandte den Blick ab. Er antwortete nicht sofort, sondern verschränkte die Hände vor sich auf dem Zaun. »Um das wirklich zu verstehen, müsstest du es sehen«, sagte er schließlich langsam. »Aber das Problem ist, dass es nicht genau hier ist.«
»Wo dann?«, fragte sie verwundert.
»Da drüben.« Er deutete zu den Koppeln.
Sophia zögerte. Jeder kannte die Geschichten: Frau trifft Mann, der nett und freundlich wirkt, aber sobald sie allein sind ... Dennoch schrillten keine Alarmglocken. Sie vertraute ihm, und das nicht nur, weil er ihr zu Hilfe gekommen war. Sie fühlte sich einfach nicht von ihm bedrängt; im Gegenteil, wenn sie ihn bäte, sie allein zu lassen, würde er wahrscheinlich einfach fortgehen, und sie würde ihn nie wiedersehen. Außerdem hatte er sie zum Lachen gebracht. In der kurzen Zeit, die sie miteinander verbracht hatten, hatte sie Brian völlig vergessen.
»Okay«, sagte sie. »Ich bin dabei.«
Falls Luke von ihrer Reaktion überrascht war, ließ er es sich nicht anmerken. Er nickte nur, legte beide Hände auf die oberste Latte und sprang sportlich über den Zaun.
»Angeber«, neckte sie. Dann bückte sie sich, quetschte sich unten durch die Latten, und sie gingen los.
Auf dem Weg über die Wiese hielt Luke einen angenehmen Abstand. Sophia betrachtete die wellige Zaunkante, die sich über das Land erstreckte, und staunte, wie unterschiedlich diese Gegend im Vergleich zu der war, in der sie aufgewachsen war. Sie mochte die stille, beinahe strenge Schönheit dieser Landschaft hier. In der Ferne drängten sich die Kiefern und Eichen zusammen, bildeten eine undurchdringliche schwarze Wand. Die Geräusche in ihrem Rücken wurden nach und nach leiser, und man hörte Grillen zirpen. Trotz der Dunkelheit merkte Sophia, dass Luke sie musterte, obwohl er sich Mühe gab, es nicht auffällig zu tun.
»Hinter dem nächsten Zaun gibt es eine Abkürzung«, sagte er. »Von da aus kommen wir zu meinem Wagen.«
Die Bemerkung überrumpelte sie. »Zu deinem Wagen?«
»Keine Sorge.« Er hob die Hände.
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